3. Von den Staatsangehöriren. 353
fremd, überall wurde vielmehr der härteste Bekenntniss-
zwang ausgeübt. Nur der rechtgläubige römisch-katholische Christ
war rechtsfähig. Sowohl nach dem neueren römischen, als nach
dem älteren Reichsrechte galt Ketzerei für ein schweres, auch von
der weltlichen Gewalt zu ahndendes Verbrechen. Erst durch die
Reformation wurde dieses System in Deutschland durchbrochen,
keineswegs beseitigt. Der westfälische Frieden sicherte den zur
Augsburgischen Konfession.gehörigen Reichsständen völlige Rechts-
gleichheit zu. Diese reichsgrundgesetzliche Parität »exacta mutu-
aque aequalitas« bezog sich aber nur auf das Reich als solches
und kam nur den Reichsunmittelbaren zu Gute. J. P.O. Art. V,
$ 51. In Beziehung auf die einzelnen Territorien wurde in dem
westfälischen Frieden festgesetzt, dass alles in dem statu quo
des sog. Normaljahres 1624 bleiben sollte.e Es konnte daher in
jedem deutschen Lande die eine oder die andere der beiden Reichs-
kirchen die herrschende Landeskirche sein und es brauchte da-
neben, sofern ein rechtlich begründeter Besitzstand nicht stattfand,
vermöge des sog. Reformationsrechtes ein anderes Bekennt-
niss gar nicht geduldet werden. Es konnten diejenigen, welche
einem solchen Bekenntnisse angehörten oder sich ihm zuwendeten,
zur Auswanderung genöthigt werden, nur sollten sie nicht geradezu
als Anhänger einer verbotenen Religion, d. h. als Ketzer behandelt
und bestraft und, wenn sie im Lande bleiben durften, ihnen
die Hausandacht nicht verwehrt und die bürgerlichen Rechte
nicht entzogen werden. Wie sie einerseits zur Auswanderung ge-
nöthigt werden konnten, so durfte ihnen andererseits auch die Aus-
wanderung niemals verwehrt werden, »flebile benefictum emi-
grationis«. J. P.O. Art. V, $ 31—37. Diese schwachen Zuge-
ständnisse einer beschränkten Bekenntnissfreiheit kamen aber nur
den Katholiken und den Augsburgischen Konfessionsverwandten
zu Gute, denen die Reformirten ausdrücklich gleichgestellt
wurden. J.P.O Art. VIL, $ 1. Alle übrigen Bekenntnisse, so-
genannte Sekten, waren im Reiche verboten; die Gesetze gegen
Ketzer blieben gegen sie in Kraft und wurden erst allmälig durch
Staatsrecht B. IX. Kap. 2u.3. v. Held, B. II. $ 456. S. 562 f. G. Meyer,
S. 608. Wilda’s trefflicher Aufsatz über Gewissensfreiheit in Deutschland.
Zeitschrift für deutsches Recht B. XI. S. 160—253 und S. 266— 302. Risch,
Ueber »Bekenntnissfreiheit« in Bluntschli’s Staatswörterb. B. I. S. 767.
G. A. Rudelbach, 49 Thesen über Wesen, Entwickelung und Form der Reli-
gionsfreiheit (Zeitschrift für lutherische Theologie IV. 1843. S. 89—135),