3. Von den Staatsangehörigen. 385
vaten Rechtes völlig gleichgestellt; die Bekennner anderer christ-
lichen Kirchen und Sekten, sowie die Juden, genossen zwar eine
mehr oder weniger beschränkte Kultusfreiheit, waren aber in öffent-
lichrechtlicher, ja zum 'Theil sogar in privatrechtlicher Beziehung
mannigfach zurückgesetzt und besonders von einer aktiven Be-
theiligung am Staatsleben fast überall ausgeschlossen.
Auf dem Standpunkte dieser Uebergangsperiode stehen
sämmtliche deutsche Verfassungen vor 1848 (Bayer. Verfassungs-
urkunde T. IV 8& 9. Württemb. $ 27. Hessen-Darmst. $ 15. 20.
Kurhessen $ 29. Hannoversches Grundges. $ 30. Landesverf. von
1810 8 32, das badische Edikt, die kirchliche Staatsverfassung betr.,
vom 11. Mai 1807, das bayerische Religiousedikt vom 26. Mai 1818).
Das Jahr 1848 bildet auch auf diesem Gebiete einen Wendepunkt.
Aus der nur beschränkten Bekenntniss- und Kultusfreiheit ist
Deutschland durch die Grundrechte Art. V, $14—21 in das Stadium
der unbedingten Bekenntniss- und Kultusfreiheit eingetreten, in-
dem für die Anhänger aller Konfessionen unbeschränkte Freiheit
der Religionsübung und Unabhängigkeit des Genusses aller bürger-
lichen und politischen Rechte vom religiösen Bekenntniss festge-
stellt wurde. Obgleich die Grundrechte formell wieder ausser Kraft
gesetzt wurden, so ging materiell doch dieser Grundsatz in die Ver-
fassungsurkunden und die Gesetzgebung der meisten deutschen
Einzelstaaten über und wurde durch ein Gesetz des norddeutschen
Bundes vom 3. Juli 1869, betreffend die Gleichberechtigung der
Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung
(Bundesgesetzblatt 1869, S. 292), über jeden Zweifel erhoben. Das-
selbe lautet: » Alle noch bestehenden, aus der Verschiedenheit des
religiösen Bekenntnisses hergeleiteten Beschränkungen der bürger-
lichen und staatsbürgerlichen Rechte werden hierdurch aufgehoben;
insbesondere soll die Befähigung zur Theilnahme an der Gemeinde-
und Landesvertretung und zur Bekleidung Öffentlicher Aemter vom
religiösen Bekenntnisse unabhängig sein.«
Dieses Gesetz ist seit dem Jahre 1870 auch auf sämmtliche süd-
deutsche Staaten ausgedehnt. Ihre einzige Schranke findet diese
Bekenntnissfreiheit in den bürgerlichen Pflichten, welchen sich
niemand unter Berufung auf sein Glaubensbekenntniss entziehen
darf.