Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

26 I. Grundbegriffe des allgemeinen Staatsrechtes. 
dem juristischen begriff der Souveränetät keinen Abbruch. 
Diese wird nur aufgehoben durch eine staatsrechtlich formu- 
lirte Abhängigkeit von einer andern höhern Staatsgewalt. Zum 
Vollbegriffe der Staatsgewalt gehört allerdings die Eigenschaft 
der Souveränetät. Die Staatsgewalt soll grundsätzlich die höchste 
Gewalt auf Erden sein, welche begnfflich keiner andern Gewalt 
staatsrechtlich untergeordnet sein darf. Allein im wirklichen Leben 
kommen Gestaltungen vor, welche sich nicht immer den strengen 
Forderungen der Theorie fügen. So hat es zu verschiedenen Zeiten 
politische Gebilde gegeben, welche alle sonstigen Merkmale des 
Staates an sich trugen, nur dass ihre Staatsgewalt, trotz weitgehen- 
der Selbständigkeit, in irgend einer Weise einer anderen höheren 
Staatsgewalt untergeordnet war, dass ihnen mit einem Worte die 
volle Souveränetät abging. Diesen politischen Gebilden hat man 
die Bezeichnung des Staates niemals verweigert und damit das 
Merkmal der Souveränetät für ein nicht absolut wesentliches er- 
klärt. Bis zum J. 1806 waren sämmtliche deutsche Territorien von 
Rechtswegen der Reichsgewalt untergeordnet, und trotzdem wurden 
sie, wegen ihrer weitgehenden Selbständigkeit, die es verbot, sie 
als blosse Gemeinden oder Selbstverwaltungskörper zu bezeichnen, 
im Leben, wie in der Wissenschaft, als Staaten bezeichnet und 
behandelt. 
& 17. 
Grenzen der Staatsgewalt. 
(Einl. S. 163.) 
Die Staatsgewalt ist, ihrem normalen Begriffe nach, die oberste 
Macht auf Erden. Die Menschen und alle ihre andern Gemein- 
schaften und Institute, selbst die Kirche, sind ihr in ihren äussern 
Beziehungen unterworfen. Man bezeichnet dies Verhältniss wohl 
als »die Omnipotenz des Staates oder des Parlamentes«. Wenn z.B. 
in einem souveränen konstitutionellen Staate, unter Zustimmung 
aller Faktoren der Staatsgewalt, ein Gesetz verfassungsmässig zu 
Stande gekommen ist, so ist formell ein solches Gesetz unbe- 
stritten gültig und rechtmässig, mag sein Inhalt sein, welcher er 
will; denn es ist keine höhere Autorität vorhanden, welche ein sol- 
ches Gesetz als rechtswidrig verwerfen könnte. Aber diese Unum- 
schränktheit ist nur eine formelle, keine materielle. Ueber 
dem menschlichen Bereiche des Staates steht, als eine höhere Macht, 
die sittliche und natürliche Ordnung der Dinge, welche der Staat
	        
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