356 I. Das Landesstaatsrecht.
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5) Vereins- und Versammlungsrecht!.
Nur durch Vereinigung mit ihres Gleichen können die Staats-
genossen auf dem Gebiet des staatlichen, geselligen, wirthschaft-
lichen Lebens umfassendere Aufgaben anstreben, höhere Ziele mit
Erfolg erreichen. Das Vereinigungsrecht erscheint daher als ein
wichtiges Grundrecht, ohne dessen Anerkennung vor allem ein poli-
tisches Leben der Nation undenkbar ist. Das Vereinswesen und
sein Recht hat zu verschiedenen Zeiten eime sehr verschiedene Auf-
fassung erfahren. Seine höchste Blüthe erreichte dasselbe im späte-
ren Mittelalter, wo das »Einigungswesen« den fast ganz nulli-
ficirten Staat ersetzen musste, während der zum Selbstbewusstsein
gelangte Polizeistaat des XVII. und X VIII. Jahrhunderts das Ver-
einswesen mit der äussersten Ungunst behandelte und dasselbe in
die engsten Schranken zurückzudrängen, vor allem ganz von der
staatlichen Erlaubniss abhängig zu machen suchte, sodass die Juri-
sten alle nicht obrigkeitlich genehmigten Vereinigungen der
Unterthanen als strafbare Eigenmacht, Verschwörungen, Konven-
tikel betrachteten In dubio unio sit de genere delicti.«e »collegia
tllieita, 1.e.a principe non confirmata valde odıosa sunt et hinc pro-
hibentur, quia variis excessibus occasionem dant.«). Auf einemähn-
lichen Standpunkte steht das Allgemeine Landrecht II. 20, $$ 184,
185. Das preussische Edikt vom 20. Oktober 1798 verbot bei stren-
ger Strafe nicht nur Vereine mit geheimen Zwecken, unbekannten
Obern oder mystischen Formen, sondern auch alle auf Aenderungen
ıH.A. Zachariä, B.I. $90. 8. 468. H. Zöpfl, Theil II. $$ 467—469.
Bluntschli, B. II. B. XI. Kap. S und 9. v. Held, Th. II. $$ 467—468.
S. 583. G. Meyer, Lehrbuch 8. 600. v. Mohl, Württemb. Staatsrecht B. I.
S. 352. 377. Pözl, Bayerisches Verfassungsrecht $ 29. 8. 71; für Preussen,
v. Rönne, B.]. Abth. II. $ 100. G. Thilo, Das preussische Vereins- und
Versammlungsrecht unter Berücksichtigung der Bundesgesetzgebung, dargestellt
und erläutert. Breslau1865. Reyscher, Publicistische Versuche 8. 164 ff. J.H.
Zirkler, Das Associationsrecht der Staatsbürger in den konstitution. Staaten und
die Lehre von dem Verbrechen unerlaubter Verbindungen und Versammlungen
(Vertheidigung der engherzigsten Polizeistaatstheorie). K. Welcker im Staats-
lex. Art. Association. K. Brater, in Bluntschli’s Staatswörterb. B. X.
S. 755 unter dem Art. »Vereine und Versammlungen«. Für die Geschichte der
deutschen Association nach allen Richtungen hin, auf dem Gebiete des öffent-
lichen, wie des privaten Lebens, lehrreich ist das gründliche Werk von Otto
Gierke, »Das deutsche Genossenschaftsrecht«. B.I. Rechtsgeschichte der deut-
schen Genossenschaft. Berlin 1868. L.v. Stein, Verwaltungslehre Th. II.
S. 107 ff.