358 I. Das J.andesstaatsrecht.
fehlt und fast alles noch auf landesgesetzlichen Vorschriften be-
ruht, so lassen sich doch gewisse allgemeine Grundsätze für die
Gesetzgebung aller deutschen Staaten nachweisen. Wiewohl das
Vereins- und Versammlungsrecht nahe verwandt ist und gewöhnlich
in der Gesetzgebung zusammengefasst wird, so ist doch zwischen
beiden zu unterscheiden. Vereine sind ohne Versammlungen ihrer
Mitglieder kaum denkbar, das Versammlungsrecht ist somit eine
Konsequenz des Vereinsrechtes, aber Versammlungen können sehr
wohl stattfinden, ohne dass sie einen Verein zu ihrer Grundlage
haben. Der Verein hat seine dauernde Organisation, seine bleiben-
den Ziele, dıe Versammlung, sobald sie eben keine Vereinsver-
sammlung ist, hat einen ephemeren Charakter und verfolgt eine
Aufgabe, welche durch einen Beschluss erledigt zu werden pflegt.
Von der Gesetzgebung werden indessen Versammlungen, welche
nicht auf der Grundlage eines Vereines zusammentreten, regel-
mässig nach denselben Grundsätzen behandelt wie Vereinsver-
sammlungen. Dies ist auch der Standpunkt der preussischen
»Verordnung über die Verhütung eines die gesetz-
liche Freiheit und Ordnung gefährdenden Miss-
brauchs des Versammlungs- und Vereinigungsrechtes
vom 11.März 1850«, ein Gesetz, welches von massgebender Be-
deutung für die übrige deutsche Landesgesetzgebung geworden ist.
1) Vereine. Nach dem in Deutschland geltenden Rechte
unterliegen nichtpolitische Vereine keinen besonderen Be-
schränkungen, insbesondere sind die früher bestehenden Verbote
der Arbeiterkoalitionen durch die Reichsgewerbeordnung vom
21. Juni 1869 $ 152 aufgehoben, die sogenannte Koalitionsfreiheit
der Arbeiter und Arbeitgeber ist anerkannt. Für solche Vereine,
»welche eine Einwirkung auf öffentliche Angelegen-
heiten bezwecken oder politische Gegenstände in
Versammlungen erörtern«, bestehen regelmässig folgende
Beschränkungen: a. die Vorsteher der Vereine sind verpflichtet,
binnen einer bestimmten Zeit die Statuten des Vereines und deren
Abänderungen, meistens auch ein Verzeichniss der Vereins- oder
Vorstandsmitglieder, bei der Ortspolizeibehörde einzureichen.
b. Verboten ist die Aufnahme von Frauen, Schülern, Lehrlingen,
Minderjährigen, besonders auch von Militärpersonen. c. Sie dür-
fen sich nicht mit anderen Vereinen gleicher Art zu einer gemein-
samen Organisation verbinden (Princip der Lokalisırung der
Vereine). Nach preussischem Rechte können wegen Uebertretung