390 Il. Das Landesstaatsrecht.
als sogenanntes Grundrecht aufgeführt. In Deutschland hat der Staat
von jeher den Schutz der Vermögensrechte als eine seiner wichtigsten
Aufgaben betrachtet, aber erst in neuerer Zeit ist es üblich geworden.
diese Pflicht des Staates auch ausdrücklich auszusprechen, wie dies in
Art.VIII$ 32 der deutschen Grundrechte geschieht: »Das Eigen-
thumistunverletzlich. Eine Enteignung kann nur aus Rück-
sichten des gemeinen Besten, und gegen gerechte Entschädigung
vorgenommen werden«; ein Satz, welcher ın die Verfassungsur-
kunden und die Gesetzgebung aller Einzelstaaten übergegaugen
ist. Die so grundrechtlich garantırte Unverletzlichkeit des Eigen-
thums hat ihre doppelte Seite; der Staat schützt dasselbe einer-
seits gegen Jeden widerrechtlichen Eingriff anderer Personen durch
seine Gesetze und Gerichte, er legt aber auch sich selbst d.h. seinen
Organen und Behörden andererseits die Pflicht auf, sich aller will-
kürlichen Eingriffe in das Eigenthum der Bürger zu enthalten.
Nur ausnahmsweise, wo das öffentliche Wohl es dringend ge-
bietet, sieht sich der Staat für berechtigt an, seinen Bürgern ein-
zelne Vermögensstücke zu entziehen, ohne deshalb ıhr Vermögens-
recht in seiner Gesammtheit zu beeinträchtigen, indem er/an die
Stelle des entzogenen Eigenthumsstückes ein ausreichendes Aequi-
valent treten zu lassen verpflichtet ist. So wırd das dem Staate
unentbehrliche Enteignungsrecht in Einklang gesetzt mit der Un-
verletzlichkeit der vermögensrechtlichen Sphäre der Staatsgenossen.
Alles Nähere gehört in die Lehre vom Expropriationsrecht.
Zweiter Abschnitt.
Von besonders bevorrechteten Klassen der Staats-
bürger.
I. Ständewesen und Staatsbürgerthum.
$ 152.
Geschichtliche Entwickelung des Ständewesens in Deutschland!,
Im früheren Mittelalter, so lange die altgermanische Volksver-
fassung bestand, kam wesentlich nur der Unterschied zwischen
ı K.D. Hüllmann, Geschichte des Ursprungs der Stände in Deutsch-
land. II. Aufl. Berlin 1830. G. Göhrum, Geschichtliche Darstellung von der
Ebenbürtigkeit nach gemeinem deutschen Rechte, mit besonderer Rücksicht auf
die Entwickelung der Geburtsstände. Tübingen 2 Bde. 1548. Vergl. auch die