4. Von den Körpern der Selbstverwaltung, besonders von den Gemeinden. 411
Zusammenwohnen der Genossen beruhen und die gemeinsamen In-
teressen des engsten lokalen Verbandes versorgen. Die Gemeinde ist
kein Staat im Staate, sie wird abermit Rechtbald ein» Analogon«, bald
»ein Mikrokosmus des Staates« genannt. Wie der Staat sein Staats-
gebiet, so hat sie ihr Gemeindegebiet, wie der Staat Staatsgenossen,
so hat sie Gemeindegenossen mit bestimmten V’flichten und Rech-
ten, sie hat ihre Obrigkeit, ihre Verfassung, ihre Verwaltung, sıe
ruht wie der Staat auf dem Grund und Boden, so dass der Regel
nach alle Grundstücke und alle darauf vorhandenen Menschen in-
nerhalb des Gemeindebezirkes auch der Gemeindegewalt unterwor-
fen sind.
Auch in Betreff des Zweckes gleicht die Gemeinde darin dem
Staate, dass sie wie dieser die Totalität des menschlichen Ge-
meinlebens umfasst. Wenn neue Gemeindeordnungen einzelne
Aufgaben der Gemeinden aufzählen, so bedeutet die Aufzählung
solcher specieller Gebiete nichts anderes, als Beispiele. Den adä-
quaten Ausdruck des deutschen Rechtsbewusstseins der Gegenwart
enthält hier das treffliche österreichische Gesetz vom 5. März 1862
Art. V: »Der selbständige Wirkungskreis, in welchem die Ge-
meinde, mit Beobachtung der bestehenden Reichs- und Landes-
gesetze, nach freier Selbstbestimmung anordnen und verfügen
kann, umfasst überhaupt alles, was das Interesse der Ge-
meinde zunächst berührt und innerhalb ihrer Gren-
zen durch ihre eigenen Kräfte besorgt und durch-
geführt werden kann.« Die Begrenzung der Gemeindeaufgaben
liegt, dem Staate gegenüber, nur in dem durchaus lokalen Cha-
rakter derselben. Die Gemeinde sorgt für die Interessen der ört-
lichen Gemeinschaft, soweit sie es mit eigner Kraft vermag; wo
diese Kraft nicht ausreicht oder wo das Interesse der Volksgemein-
schaft ın den Vordergrund tritt, beginnt der Wirkungskreis höherer
Verbände, vor allem des Staates selbst. Die Gemeinde ist der Or-
ganısmus der örtlichen Gemeinschaft, wie der Staat der Orga-
nismus der Volksgemeinschaft.
Die Gemeinden sind ıhrer juristischen Natur nach öffentlich-
rechtliche Korporationen mit selbständiger Rechtssphäre, aber
der deutschen Gemeinden« in der Vierteljahrschrs. 1856 Heft2. 8.372—357. Rei-
ches Material bietetfür unsern Gegenstand OÖ. Gierke, Geschichteder deutschen
Genossenschaft. Berlin 1868. Besonders werthvoll für das heutige Recht ist
$57 «Die Ortsgemeinden nach den Gemeindeordnungen des XIX. Jahrhun-
derts.«