Von den Körpern der Selbstverwaltung, besonders von den Gemeinden. 439
Entscheidung hatten sie höchstens bei der Verwaltung des Kommu-
nalvermögens und gewisser Anstalten, dagegen war die ganze obrig-
keitliche Verwaltung in den Händen des besoldeten Berufsbeamten-
thums konzentrirt. In dieser Richtung erfolgte auch die Provincial-
und Kreisgesetzgebung in Preussen in den zwanziger Jahren, in
welcher sich die Allgewalt der Bureaukratie mit einer völlig antı-
quirten feudalständischen Zusammensetzung machtloser Vertre-
tungskörper wunderlich verquickte. Zu dem Grundgedanken Stein’s,
die kommunalen Organe bei der Ausübung obrigkeitlicher Befug-
nisse soweit wie möglich zu betheiligen, ist erst die Reformgesetz-
gebung der letzten Jahrzehnte zurückgekehrt. Das Jahr 1848 hat
zwar in dieser Beziehung manche durchaus richtige Postulate auf-
gestellt, aber es war viel zu sehr von der schablonenhaften Theorie
des französischen Radikalismus und undeutscher Nivellirungssucht
durchdrungen, um bleibende Schöpfungen auf diesem Gebiete her-
vorzubringen. Von diesem Vorwurfe ist auch die preussische Kreis-,
Bezirks- und Provincialordnung von 11. März 1850 nicht freizuspre-
chen, welche schon vor ihrer Ausführung wieder ausser Kraft gesetzt
wurde. Es bedurfte erst einer längeren Gedankenarbeit und grös-
seren politischen Reife, wissenschaftlicher Vertiefung und prakti-
scher Erfahrung, um auf diesem Gebiete lebensfähige Einrichtungen
zu schaffen. Bahnbrechend ging hier Baden durch sein Gesetz
vom 5. Oktober 1863, die Organisation der inneren Verwaltung be-
treffend, voran. Vor allem aber nahm Preussen seit Gründung des
norddeutschen Bundes die Reorganisation der Kommunalverbände
höherer Ordnung in grossem Style in die Iland. Als das gelungen-
ste Werk kann in dieser Beziehung die Kreisordnung vom 13. Dec.
1872 betrachtet werden, welche den Kreisverband zu einem bedeut-
samen Körper der Selbstverwaltung erhebt. Den preussischen Re-
formgesetzen dieser Zeit sind die Einrichtungen nachgebildet, welche
seitdem im Königreich Sachsen, Grossherzogthum Hessen und Her-
zogthum Braunschweig geschaffen worden sind.
Als Kommunalverbände höherer Ordnung bauen sich über den
Ortsgemeinden und übereinanderauf: Sammt-und Amtsgemeinden,
Kreisverbände, Provinzen.
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l) Die Sammtgemeinden und Amtsgemeinden.
Die grösste Mannigfaltigkeit besteht hinsichtlich der zwischen
der Ortsgemeinde und dem Kreise in der Mitte stehenden Kommu-.