Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

434 I. Das Landesstaatsrecht. 
nalverbände. In verschiedenen 'Theilen Deutschlands giebt es 
sogenannte Sammtgemeinden, zu welchen mehrere Gemein- 
den, deren jede zur Erreichung des Gemeindezweckes für sich un- 
zureichend ist, für alle oder einzelne Zwecke, ohne Aufhebung der 
Gemeindeeigenschaft der engern Gemeinde, verbunden sind; sie 
haben durchaus dieselbe rechtliche Natur wie die Ortsgemeinde. 
Dahin gehören die ın Schleswig-Holstein fortbestehenden Sammt- 
kommunen, die oldenburgischen Kirchspiele, welche sich in Bauer- 
schaften gliedern. Als solche erweiterte Ortsgemeinden können 
auch die Amtsgemeinden von Westfalen und die Bürger- 
meistereien der preussischen Rheinprovinz betrachtet werden. Amt 
und Bürgermeisterei sind zunächst staatliche Verwaltungsbezirke; 
daneben bilden sie aber zugleich »in Ansehung solcher Angelegen- 
heiten, welche für alle zu dem Amte oder der Bürgermeisterei gehö- 
rigen Gemeinden ein gemeinsames Interesse haben. einen Kommu- 
nalverband mit den Rechten einer Gemeinde«. In der Provinz 
Hannover haben sich die Aemter erhalten. welche nicht bloss 
Landgemeinden, sondern auch die sogenannten amtssässigen Städte 
umfassen, an der Spitze steht ein besoldeter Berufsbeamter, der 
Amtshauptmann, als Vertretung der Bevölkerung besteht in jedem 
Amte eine Amtsversammlung; auch im Regierungsbezirk Wies- 
baden ist die nassauische Amtsverfassung erhalten. In den östlichen 
Provinzen Preussens, wo bis zum Jahre 1872 zwischen den Orts- 
gemeinden und dem Kreise jedes Mittelglied fehlte, zerfallen jetzt 
die Kreise in Amtsbezirke, welche aus einer oder mehreren 
Landgemeinden, beziehungsweise Gutsbezirken bestehen. Der 
Amtsvorsteher wird auf Grund einer vomKereistage aufzustellenden 
Liste der dazu befähigten Personen durch den Oberpräsidenten er- 
nannt. Ihm steht die Verwaltung der Polizei und anderer staat- 
licher Angelegenheiten zu. Der Amtsausschuss, welcher sich 
aus den Gemeindevorstehern, den Besitzern der selbständigen Guts- 
bezirke und, wenn nothwendig, aus besonders gewählten Mitgliedern 
zusammensetzt, hat die Ausgaben des Amtsbezirkes zu bewilligen 
und zu kontrolliren, sowie beim Erlasse von Polizeiverordnungen 
mitzuwirken. Die weitere Ausfüllung der Amtsbezirke mit kom- 
munalem Inhalte ist jedoch lediglich der freien Entschliessung der 
zugehörigen Gemeinden und Gutsbezirke vorbehalten. 
Eine sehr eigenthümliche Stellung nehmen die Oberämter 
in Württemberg ein, welche hier. als seltene Ausnahme von den 
allgemeinen deutschen Zuständen. einen Stadt und Land verbinden-
	        
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