+. Von den Körpern der Selbstverwaltung, besonders von den Gemeinden. 437
von Petitionen und Beschwerden beschränkt waren, huldigt die
neue Kreisordnung dem Gedanken der Selbstverwaltung dadurch ın
ausgiebiger Weise, dass sie die kommunalen Elemente nicht blos
bei der Vermögensverwaltung , sondern auch bei der Ausübung der
wichtigsten obrigkeitlichen Befugnisse betheiligt. Wenn die Kreise
bisher Korporationen zur Erfüllung einzelner, innerhalb be-
stimmter Grenzen eingeschränkter öffentlicher Zwecke waren, über-
all mehr mit passiver Leistungspflicht, als aktiver Selbstbestimmung,
so sind sie jetzt fortgebildet »zu vollen Kommunalverbän-
den aller Kreisgemeinden behufs Selbstverwaltung ihrer eigenen
Angelegenheiten, wie zur Erfüllung staatlicher Aufgaben, welche
über das Gebiet der Kommunalinteressen im engeren Sinne weit
hinausragen.« Als Organe der Kreisverwaltung erscheinen a. der
Landrath als staatlicher Beamter innerhalb des Kreises, b. die
Kreisversammlung oder der Kreistag. Die Mitglieder des-
selben werden von den Wahlverbänden der Grossgrundbesitzer,
zu denen höchstbesteuerte Gewerbtreibende und Bergwerkbesit-
zer hinzutreten können, der Städte und der Landgemeinden ge-
wählt. Der Kreistag fasst Beschlüsse über wichtigere Akte der
Vermögensverwaltung, ordnet den Kreishaushalt, hat das Kreis-
statut festzustellen, Kreisämter zu errichten und Gutachten abzu-
geben, c. der Kreisausschuss besteht aus dem Landrathe
und sechs Mitgliedern, welche vom Kreistage aus der Mitte aller
Kreisangehörigen gewählt werden. Der Kreisausschuss bereitet
(die Vorlagen für den Kreistag vor, verwaltet das Kreisvermögen
und die Kreisinstitute nach Massgabe des Kreishaushaltsetats und
übt eine Reihe obrigkeitlicher Befugnisse so wichtiger Art auf dem
Gebiete der reinen Verwaltung, wie der Verwaltungsrechtspflege
aus, dass er als das Regierungskollegium und das Ver-
waltungsgericht des Kreises erscheint. In denjenigen Städten,
welche einen eigenen Stadtkreis bilden, tritt an die Stelle des Kreis-
ausschusses ein Stadtausschuss, bestehend aus dem Bürger-
meister und vier Mitgliedern, welche der Magistrat aus seiner Mitte,
wo kein Magistrat besteht, die, Stadtverordneten aus den Gemeinde-
bürgern wählen.
Auch auf die ım Jahre 1866 neuerworbenen Gebietstheile ist
die preussische Kreiseintheilung übertragen. Die Kreisverfassung
ist in Hannover ohne Aufhebung der Aemterverfassung, in Schles-
wig-Holstein ohne Aufhebung der bestehenden Kommunalverbände,
in Hessen-Kassel unter Aufhebung der bisherigen Bezirksräthe, im
H. Schulze, Deutsches Staatsrecht. 29