5. Von der Volksvertretung oder dem Landtage. 447
schen Rechte ıst. Bei irgend einem äusseren Anlasse, z. B. einer
Steuerforderung, einer Freiheitsverletzung von Seiten des Landes-
herın, einer beabsichtigten Landestheilung, treten dann die in sich
geschlossenen Stände zu einer Einigung zusammen, welche,
oft zunächst nur temporär eingegangen, allmälig zu einer »dauern-
den erblichen Vereinigung« wird. In der Regel ging diese erste
Einigung von Rittern und Städten aus, zu welcher die Prälaten
meist erst später hinzutraten. Im Einzelnen fand dieser allmälige
Einigungsprocess in mannigfach verschiedener Weise statt; überall
aber war das Resultat dieser Entwickelung ein wesentlich gleiches,
nemlich die Begründung einer Körperschaft, welche, dem Landes-
herrn gegenüber, das Land, »die gemeine Landschaft« dar-
stellte, welche, als Gesammtpersönlichkeit, Trägerin wichtiger
öffentlicher und privatrechtlicher Befugnisse war. Regelmässig be-
stand die so vereinigte Landschaft aus drei Ständen, den Prälaten,
der Ritterschaft und den Städten. Nur ausnahmsweise erschien der
Bauernstand auf dem Landtage, wo er, wie an den Küsten der
Nordsee bei Friesen und Dithmarsen und in den Thälern der Alpen,
seine alte Freiheit bewahrt hatte. Bereits im Mittelalter legte man
den grössten Werth auf die urkundliche Verbriefung der
Rechte. Die Urkunden, welche den Landständen ıhr Recht ver-
sichern, lauten oft wie landesherrliche Privilegien, sind es aber ihrem
Inhalte nach nicht, sondern enthalten regelmässig blos die Aner-
kennung längst bestehender und erworbener ständischer Rechte, sie
heissen: Freiheitsbriefe, Landesfreiheiten, Landes-
und Erbvergleiche, Schadlosbriefeu.s.w. Die den Land-
ständen kraft dieser Urkunden oder rechtsgültigen Herkommens
zustehenden Befugnisse sind folgende:
1) Das Steuerbewilligungsrecht ist dasjenige Recht
der Stände, aus welchem alle andern Befugnisse derselben, wie aus
ihrem Stamme, hervorgewachsen sind. Nach der Anschauung des
Mittelalters hatte der Landesherr alle Hof- und Regierungsbedürf-
nisse aus seinem Kammergut zu bestreiten (S. 199). Von Rechts-
wegen war es guter Wille, Geschenk des Landes, wenn es dem Lan-
dlesherrn einen Zuschuss zur Regierung gab. Erst später wurden
gewisse Ausnahmefälle anerkannt, wo eine Pflicht der Steuerbewil-
ligung vorlag. Anfangs wurde eine solche Steuerverwilligung ganz
nach privatrechtlichen Grundsätzen beurtheilt. Die Städte verwil-
ligten die Steuern für ihre Eingesessenen in Form einer Gesammt-
summe, die Prälaten und Ritter für ihre Hintersassen, sowie die