4143 I, Das Landesstaatsrecht.
von ihnen selbstbewirthschafteten Güter, soweit die letzteren nicht
völlig steuerfrei gelassen wurden. Auch galt bei der Steuerver-
willigung folgerichtiger Weise anfangs das Princip der Stimmen-
mehrheit als unanwendbar. Nach und nach gewann aber die öffent-
lich-rechtliche Anschauung die Oberhand, wornach nicht der Ein-
zelne, sondern die Gresammtheit eines Standes oder aller Stände,
als solche, die Steuer zu verwilligen hat. Aber nicht blos die
Verwilligung der Steuern, sondern auch ihre Erhebung und Ver-
wendung wurde von den Landständen entweder ganz in Anspruch
genommen oder wenigstens unter ihre Kontrolle gestellt (land-
schaftliche Truhe, Schatzkollegium). Auch übernahmen sie regel-
mässıg das landesherrliche Schuldenwesen! nur unter der Be-
dingung, dass sowohl die Entwerfung eines Schuldentilgungsplanes.
als dessen Ausführung von ihnen selbst in die Hand genommen
und eine Garantie gegen ferneres leichtfertiges Schuldenmachen
gegeben würde (landschaftlicher Kreditwerk).
2) Eine 'lheilnahme an der Gesetzgebung stand den
Landständen von jeher zu. Die ursprünglich gar nicht ın der lan-
desherrlichen Gewalt gelegene Gesetzgebung wurde seit dem XV
und XVI. Jahrhundert von den Landesherrn in Verbindung mit
ihren Landständen in sehr umfassender \Weise ausgeübt; sie be-
wegte sich besonders auf dem Gebiet der Polizei, sog. Landesord-
! Dass gerade in der Uebernahme der landesherrlichen Schulden auf das
Land nicht blos die regelmässige Form der Beihilfe der Landstände, sondern das
punctum saliens ihrer ganzen Machtentwickelung gelegen habe, bezeugen die
Geschichtsschreiber der verschiedensten Territorien. Sosagt Rudloff (Mecklen-
burgische Geschichte Th. III, Abth. 2. S. 153): »Dass die Geschichte der mecklen-
burgischen Landstände von einer fürstlichen Schuldentilgung zur andern nur die
Geschichte der einzelnen Thaler in sich begreife, welche aus den Händen der
Landstände durch Kapitulation in die der fürstlichen Gläubiger übergingen.«
Vergl. auch Hegela.a. 0.8. 148. Dasselbe bezeugt Fricker, Geschichte der
Verfassung Württembergs für die altwürttembergischen Stände S. 128: »Der
finanzielle Theil der Verfassung repräsentirte deren Eigenthümlichkeit am
reinsten, er war der eigentliche Kern und Mittelpunkt derselben. Der Satz.
dass die württembergischen Regenten mit ihrem Kammergute auskommen
inüssen, wurde mit Recht als die ganze württembergische Verfassung bezeichnet.
Von Rechtswegen war es lediglich guter Wille, freies Geschenk des Landes,
wenn es dem Regenten einen Zuschuss gab. — — — :Die Steuerrerwilligung ent-
hiclt keine Ausgabenverwilligung, keine Regulirung der herzoglichen Finanz-
wirthschaft, sondern schloss sich, als Ablösungshilfe, lediglich an die zufällig
vollendete Thatsache an. — — — Die ständische Hilfe gegenüber dem Regenten
hatte die Form der Uebernahme der Kammerschulden auf die Landeskasse, so
dass diese nun aufhörten, Kammerschulden zu sein, und Landesschulden wurden,
oder der Verwilligung von Beiträgen aus dieser Kasse.«