450 I. Das Landesstaatsrecht.
lich zugesicherten Gerechtsame beschränkt, sondern sie galten als
befugt, aufzutreten und mitzuhandeln, »wo des Landes Bestes zu er-
fordern schien, dass das Land selbst handle«. Da ihnen allent-
halben ein unbeschränktes Beschwerderecht inallen Landes-
angelegenheiten zustand, waren sie stets in der Lage. auch solche
Gegenstände, deren ıhre Privilegien nicht ausdrücklich gedachten,
in den Bereich ihrer Verhandlungen zu ziehen, wie auch der Lan-
desherr selbst viele wichtige Gegenstände. bei welchen die Korpo-
ration sich das Recht mitzusprechen keineswegs ausbedungen hatte,
freiwillig vor die landständische Versammlung brachte. Kurz.
»mochte die Landschaft nun mıt dem Landesherrn, statt des Lan-
desherrn oder gegen den Landesherrn handelnd auftreten, immer
spielte sie in der Geschichte der einzelnen Territorien eine vielfach
entscheidende Rolle«.
Für die ungehinderte Ausübung dieser weitgehenden Befug-
nisse war es wichtig, dass den Landständen des Mittelalters überall
das Selbstversammlungsrecht und das Recht des be-
waffneten Widerstandes gegen jedermann, welcher sie in
ihren Rechten zu vergewaltigen suchte, selbst gegen den eigenen
Landesherrn zuerkannt wurde.
Es ist ein blosser Wortstreit, wenn man den Landständen des
Mittelalters den Repräsentativcharakter bald abspricht, bald
beilegt. Gewählte Volksvertreter im modernen Sinne waren sie
allerdings nicht. Die meisten Glieder des Landtages erschienen
kraft eigenen persönlichen Rechts, andere im Auftrage einer beson-
deren Korporation, deren specielle Bevollmächtigte sie waren. Ein
Theil der Einwohner, z. B. die landesherrlichen Hintersassen, stan-
den in gar keiner Beziehung zu den privilegirten Ständen, während
die Unterthanen der Prälaten und Ritter höchstens indirekt durch
ihre Herrschaft mit vertreten wurden. Auch war der Grundsatz
nirgends anerkannt, das alle einzelnen Landtagsmitglieder, als
solche, Repräsentanten des ganzen Volkes oder Landes seien.
Dennoch kann, bei richtiger Würdigung der damaligen staatsrecht-
lichen Verhältnisse, nicht in Abrede gestellt werden, dass die Land-
stände, als Gesammtheit, „das ganze Land«, »die Landesge-
meinde« dem Landesherrn gegenüber vertraten, dass sie, wie
Moser sagt, »das corpus repraesentativum des ganzen lieben Vater-
landes in corpore et membris« seien. Aber freilich ist diese nie ganz
verkannte öffentlich-rechtliche Auffassung nur in ihrem
Keime vorhanden. In erster Linie fühlten sich die Landstände