Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

4606 I. Das Landesstaatsrecht. 
Das aktive Wahlrecht kann nur unter bestimmten gesetz- 
lichen Voraussetzungen ausgeübt werden. Dahin gehören: a. Staats- 
angehörigkeit. Selbst Angehörige anderer deutscher Staaten 
sind vom Wahlrechte ausgeschlossen, Aufenthalt und Wohnsitz in 
einem Staate reichen nicht aus; b. männliches Geschlecht; ce. ein 
bestimmtes Alter, gewöhnlich 25 Jahre, in Preussen schon das voll- 
endete 24. Jahr, anderwärts genügt schon Volljährigkeit; d. Besitz 
der bürgerlichen Ehrenrechte, welche nach dem Reichsstrafgesetz- 
buch $ 32—37 nur durch ein ausdrücklich auf den Verlust derselben 
gerichtetes richterliches Erkenntniss entzogen werden können. 
Durch Begnadigung können auch die bürgerlichen Ehrenrechte 
wieder hergestellt werden; e. das aktive Wahlrecht wird überall 
solchen Personen abgesprochen, welche unter Vormundschaft stehen, 
sıch im Konkurse befinden oder eine öffentliche Armenunterstützung 
erhalten. Ausser diesen überall vorkommenden Voraussetzungen 
haben einzelne Verfassungen noch weitergehende Erfordernisse für 
das aktive Wahlrecht aufgestellt, so das Vorhandensein eines ei- 
genen Hausstandes, wonach alle die ausgeschlossen sind. 
welche »ohne eigenen Herd bei andern ın Kost und Lohn stehen «, 
wıe Dienstboten , Handwerksgesellen \Oldenb. Verf. $ 115. Sach- 
sen-Koburg-Gotha $ 27 c.), die in Preussen erforderte »Selb- 
ständigkeit« hat nicht diese Bedeutung, sondern bezeichnet nur 
die Dispositionsfähigkeit (H. Schulze $ 160, S. 158), ferner Zahlung 
einer direkten Steuer an den Staat überhaupt oder sogar einer Steuer 
von einer gewissen Höhe. Nach dem Reichsmilitärgesetz vom 2. Maı 
1574 8 49 ruht das Wahlrecht für die ım aktiven Dienste befind- 
lichen Militärpersonen. 
Das Recht, gewählt zu werden, sog. passives Wahlrecht, 
ist regelmässig an dieselben Voraussetzungen gebunden, wie das 
aktive; doch werden hie und da höhere Anforderungen gestellt. 
z. B. ein höheres Alter, gewöhnlich 30 Jahre, Unbescholtenheit, 
Zahlung eines höhern Steuerbetrags, Besitz der Staatsangehörigkeit 
während eines bestimmten Zeitraums (1—3 Jahre), bisweilen ge- 
ringere, indem für das passive Wahlrecht die Zahlung einer 
direkten Steuer nicht verlangt wird. Ueberall sind die Mitglieder 
der ersten Kammer von der Wahlfähigkeit ausgeschlossen, da selbst- 
verständlich niemand zugleich Mitglied beider Kammern sein kann. 
Zum Zwecke der Wahlen ist das Staatsgebiet in Wahlkreise 
eingetheilt. Die Feststellung derselben erfolgt regelmässig durch 
das Gesetz (z. B. preussisches Gesetz betr. die Feststellung der
	        
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