Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

504 l. Das Landesstaatsrecht. 
schaft gemeinschaftlich zu.« In dieser Weise unterscheiden sich die 
Verfassungen der deutschen Hansestädte wesentlich von denen der 
rein demokratischen Republiken, welche überall die Souveränetät. 
lediglich in die Gesammtheit des Volkes verlegen, die Regierung da- 
gegen als blos beauftragte Behörde desselben behandeln und sie 
ganz von der 'Iheilnahme an der Gesetzgebung ausschliessen '. 
Dem Senate steht die Bürgerschaft gegenüber, welche jetzt 
in allen drei Hansestädten ein repräsentatives Organist. Da 
dem Rathe die vollziehende Gewalt, die gesetzgebende dem 
Rathe und der Bürgerschaft gemeinsam zusteht, so stellt sich das 
Verhältniss zwischen diesen beiden Organen mannigfach ähnlich. 
wie zwischen dem Landesherrn und den Landständen in den mon- 
archischen Staaten Deutschlands. Auch ist es anerkannt, dass 
manche Bestimmungen, welche sich auf die Volksvertretungen der 
monarchischen Staaten beziehen, analog auf die Vertretungskörper 
der freien Städte angewendet werden können (Wiener Schlussakte 
A.62). Aberimmerhin bleibt dochzwischen beiden Verhältnissen ein 
tiefer staatsrechtlicher Unterschied, indem die Bürgerschaften neben 
dem Senate als Mitinhaber der Staatsgewalt anerkannt sind, 
während die Landstände zwar in ihrer Sphäre selbständig sınd, aber 
dabei Unterthanen des Landesherrn bleiben. Dies äussert seine 
Konsequenz darin, dass den Bürgerschaften grundsätzlich überall 
das Selbstversammlungsrecht zustehen muss und auch wirklich zu- 
steht. Wenn der Senat auch regelmässig das Konvokationsrecht 
hat, so kann doch die Bürgerschaft überall, wenn der Senat ihre 
Zusammenberufung unterlässt, auch auf Beschluss ıhres Ausschusses 
oder ihren eigenen Beschluss zusammentreten. Ebensowenig stehen 
dem Senate, der Bürgerschaft gegenüber, die sog. konstitutionellen 
Prärogatıve zu, welche der Monarch den Kammern gegenüber aus- 
übt; der Senat kann die Versammlung der Bürgerschaft weder ver- 
tagen, schliessen noch auflösen. 
Eine andere, dem hanseatischen Staatsrechte eigenthümliche 
Einrichtung ist der Bestand einer aus der Bürgerschaft hervorgehen- 
den ständigen Behörde, welche verpflichtet ist, dem Rathe gegen- 
über, »die Einhaltung der Verfassung und der auf das öffentliche 
Recht bezüglichen Gesetze zu überwachen.« Diese an das Ephorat 
antiker Staaten erinnernde Einsetzung eines permanenten Wächters 
! Sammlung der Bundesverfassung und der am 1. Januar 1880 in Kraft be- 
stehenden Kantonalverfassungen. Amtliche Ausgabe. Bern 15S0.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.