Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

Von der Justiz. 553 
der Justizhoheit, welcher in der Justizgesetzgebung besteht, 
gehört auch, was die Grerichtsorganisation betrifft, nach Art. 4 
Nr. 13 der Reichsverfassung, zur Zuständigkeit der Reichsgewalt. 
Dieselbe hat von dieser Befugniss durch Erlass des Reichsgerichts- 
verfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 in ausgiebiger Weise Ge- 
brauch gemacht. Darnach sind alle deutschen Gerichte, sammt 
den Staatsanwaltschaften, Hülfsbeamten, Gerichtsschreibern und 
Gerichtsvollziehern, wenn sie auch noch als Behörden oder Beamte 
der Einzelstaaten betrachtet werden müssen, doch durch die 
Einheit der Processordnung und die Gleichmässigkeit ihrer Ein- 
richtung, zu einem (xesammtorganismus der Rechtspflege im deut- 
schen Reiche verbunden. Aber nur die Grundzüge der zur Durch- 
führung der einheitlichen Processordnungen erforderlichen Organi- 
sation der Justizbehörden sind durch die Reichsgesetzgebung 
festgestellt. Diese hat sich aber damit begnügt, die Arten der 
Gerichte, welche die Rechtspflege in bürgerlichen Streitigkeiten 
und Strafsachen nach Maassgabe der Processordnungen auszuüben 
haben, bindend für die Einzelstaaten des Reiches festzustellen, 
deren Zusammensetzung und Eintheilung im Ganzen, sowie deren 
sachliche Zuständigkeit zu regeln. Dagegen wurde die Durchfüh- 
rung der Gerichtseinrichtungen im Einzelnen, die Abgrenzung der 
Bezirke und die Auswahl des Personals, die Bestimmung der Dota- 
tionen. der Geschäftsordnungen, Dienstaufsicht und Verwaltung 
den Regierungen der Einzelstaaten vorbehalten. 
Die Gerichtsherrlichkeit, d.h. die Befugniss und die 
Pflicht, für die Einsetzung und Besetzung der Gerichte, sowie für 
die ungehinderte Ausübung der Rechtspflege zu sorgen, ist zwi- 
schen dem Reiche und den Einzelstaaten getheilt. Soweit das 
Reichsgesetz verfügt, ist die Gerichtsherrlichkeit der Einzelstaaten 
beschränkt. Soweit es nicht verfügt oder ausdrücklich den Lan- 
desregierungen freie Bewegung verstattet, besteht die Gerichtsherr- 
lichkeit der Einzelstaaten unzweifelhaft fort. Mit Ausnahme des 
Reichsgerichtes, welches ausschliesslich der Reichsgewalt unter- 
steht, sind alle deutschen Gerichte, wenn auch auf Grund der 
Reichsgesetze geschaffen, doch als Gerichte der Einzel- 
staaten anzusehen !. 
Nach dem Reichsgerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 
I Vergl. hierüber besonders W. Endemann, Der deutsche Civilprocess, 
1575. B. 1.8.43 ff.
	        
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