Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

44 I. Grundbegriffe des allgemeinen Staatsrechtes. 
Landesherrn haben, in einer Realunion, weil sie nach der sog 
Union von 1523 und dem Erbvergleiche vom 18. April 1755 grund- 
gesetzlich einen gemeinsamen Landtag haben. Während eine Per- 
sonalunion selbstverständlich nur zwischen Monarchien möglich ist, 
ist eine Realunion auch bei Republiken denkbar, da sich hier die 
verfassungsmässige Gemeinsamkeit auch auf andere Institutionen, 
als die Person des Monarchen, beziehen kann. 
Die Realunion unterscheidet sich dadurch vom oben bespro- 
chenen Staatenbund. dass sie einen wahrhaft staatsrechtlichen, 
verfassungsmässigen, keinen blos völkerrechtlichen Charakter hat, 
vom Einheitsstaate dadurch, dass die unirten Staaten, trotz der 
grundgesetzlichen Gemeinsamkeit gewisser Institutionen, Staaten 
mit einer eigenen Staatspersönlichkeit bleiben. Die Realunion hat 
die Neigung entweder in einen Einheitsstaat überzugehen, wenn die 
selbständigen Staaten zu blossen Provinzen herabgedrückt werden, 
oder zu einem Staatenstaate zu werden, wo zwar die Staaten, 
als solche. erhalten bleiben, sich über ihnen aber ein!höherer staat- 
licher Organismus, ein Oberstaat auferbaut, welchem sich die 
Einzelstaaten, als Unterstaaten, unterzuordnen haben. Letztere 
komplicirte Staatsform bedarf einer näheren Betrachtung. 
B. Der Staatenstaat, civitas composita. 
Damit bezeichnet man diejenige staatliche Gestaltung. wo 
mehrere Staaten über sich eine Obergewalt staatsrechtlicher Natur 
anerkennen. Grundzug jedes Staatenstaates ist das Vorhandensein 
eines Ober- oder Gesammtstaates. welcher mehrere Einzel- oder 
Gliederstaaten umfasst. Es giebt eine Gesammtstaatsge- 
walt, welcher die Staatsgewalten der Einzelstaaten staatsrecht- 
lich untergeordnet sind. Der Staatenstaat kann in verschiedenen 
Formen vorkommen. Im Mittelalter erschien er besonders in der 
Form des Lehenstaates, wo mehrere 'lerritorialherrn emer lehens- 
herrlichen Obergewalt untergeordnet waren. Im Orient kamen 
ähnliche Staatsgehilde vor, wo noch bis vor kurzem mehrere Staaten 
dder Suzerainete der hohen Pforte unterworfen waren und integrirende 
Bestandtheille des Osmanenreiches ausmachten. Der eigentlich 
typische Charakter des Staatenstaates ist in dem ältern deutschen 
Reiche ausgeprägt. wo in der Reichsgewalt eine Obergewalt staats- 
rechtlicher Natur über zahlreiche Territorien herrschte, denen Nie- 
mand, trotz dieser Unterorduung, den Charakter von Staaten ab- 
sprach. Alle schärfer denkenden Reichspublieisten, von Ludolf
	        
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