580 II. Von den Funktionen des Staatsorganismus.
esse hatte. Es war ein »Annexum der Landeshoheit«e.
Die »Insufficienz des Kammergutes« bildete die erste Voraus-
setzung jeder Steuerforderung. Die Steuern hatten einen
durchaus subsidiären Charakter. Die Verwaltung der
Kammergüter, Gefälle und sonstigen eigenen landesherrlichen Ein-
nahmen waren einem fürstlichen Kammerkollegium übertragen,
dessen Hauptverrichtung darin bestand: »Erstlich, dass die herr-
schaftlichen Intraden und Gefälle richtig und nützlich eingebracht
und zur fürstlichen Kammer oder Dero Disposition geliefert und
bereit gehalten werden. Zum andern, dass der ganze Ertrag zu
aller fürstlichen Nothdurft und Erforderung gebührlich und ver-
nünftig dispensirt, ausgetheilt und verwendet werde« (Secken-
dorff a. a. O.). Der landesherrliehen Kammerkasse stand die
landschaftliche Steuerkasse gegenüber, in welche die von
den Landständen bewilligten Steuern flossen. Ueberall stand
den Landständen nicht nur die Bewilligung der
Steuern, sondern auch eine weitgehende Theilnahme
an ihrer Erhebung und Verwaltung zu, besonders zu
dem Zwecke, um ihnen eine Kontrolle zu gewähren, dass die
Steuern nur zu dem vereinbarten, nicht zu fremdartigen Zwecken
verausgabt würden? Eine Beschränkung erfuhr das Steuer-
bewilligungsrecht der Landstände dadurch, dass den Landesherren
1 Gewissen jetzt hier und da hervortretenden Tendenzen, das Kammergut
zum reinen Privateigenthum umstempeln zu wollen, gegenüber ist esamPlatze, an
dessen allgemein anerkannten Rechtszustand zu Reichszeiten zueerinnern. So be-
zeugt der Kanzler Strube in seinem Unterricht von Regierungssachen für den
Anfang des vorigen Jahrhunderts: »dass in Deutschland gemeiniglich die landes-
herrlichen Kammergüter alle Regierungsbeschwerden tragen, die Landstände
hingegen nur dann dazu beitragen müssen 1) wenn sie aus den Domanialgefällen
nicht bestritten werden können, 2) die Reichsgesetze solche den Unterthanen
auflegen, 3) oder selbige sich zu deren Abführung verbindlich gemacht haben.«
2 Darüber sind alle Reichspublieisten einig, so sagt M. v. Ludolf {Cons.
etdec. Tom.I. Cons. 6. p. 149 ff.): »8i quis imperantium contributiones pro
libitu indicere velit, etiam sub praetexta utilitatis et necessitatis publicae vel
circa modum colligendi arbitrio suo uti, contra pacta antiqua, audientur subditi
inerito in judieiis imperii. Ex ipsis enim legibus imperii optimo argumento
dicitur, non esse imperantium potestatem eam, ut collectas subditis imponere
queant pro arbitrio sine eorum consensu. Imperium in subditos unicuique prin-
cipum et statuum imperii tanta cum libertate esse permissum, ut contra imposi-
tiones imperantium nullam eis detur refugium, thesis est heterodoxa neque
toleranda.« Casp. Klock (de contrib. cap. 7. n. 22. p.182) sagt: »In plerisque
Germaniae provinciis nonnisi ex ordine et consensu et pacto ac re publice et
mature prius deliberata ad ejusmodi onera perveniri tam evidens est, ut nulla
probatione egeat.«