4. Von der Verbindung mehrerer Staaten zu einem Staatensysteme. 47
gewalt und den Gewalten der Einzelstaaten vermieden, damit die
unbedingt nothwendige Einheit des Staatswillens gewahrt werde,
muss im Confliktsfalle die Entscheidung letzter Instanz der Central-
gewalt zugesprochen, ihr Wille, als höchster ın der bundesstaat-
lichen Organisation, anerkannt werden. Die Uentralgewalt und die
Gewalt der Einzelstaaten: sind einander nicht nebengeordnet,
sondern erstere ist der letzteren übergeordnet. Trotzdem bleiben
die Einzelstaaten Staaten, weıl sie nicht nur, wie Körper der
Selbstverwaltung, eine relative Selbständigkeit in der Verwaltung
gewisser Angelegenheiten, sondern eigene nicht von der Centralge-
walt abgeleitete Hoheitsrechte besitzen, weil sie sich selbst inner-
halb ıhrer Sphäre Gesetze geben und ihren Entscheidungen die
höchste Sanktion ertheilen.
Wo diese Merkmale vorhanden sind, kann man von einem
Bundesstaate sprechen, dessen Organisation übrigens eine sehr ver-
schiedenartige sein kann. Die Centralgewalt lässt sehr verschiedene
Formen ihrer Konstituirung zu, sie kann ganz getrennt von der
Staatsgewalt der Einzelstaaten bestehen, oder den Regierungen der
letzteren kann eine weitgehende Mitwirkung bei ihrer Zusammen-
setzung eingeräumt sein. Es können dem Träger einer Einzelstaats-
gewalt, als solchem, weitgehende Befugnisse der Centralgewalt
übertragen sein, welche ıhn zu einem wichtigen Organe der letzteren
machen. Es können die Kompetenzgrenzen zwischen der Central-
gewalt und den Staatsgewalten der Einzelstaaten sehr verschieden
gezogen sein. Alle diese verschiedenen möglichen Gestaltungen
machen die besondere Individualität eines konkreten Bundesstaates
aus und bilden sein positives Staatsrecht. Unsere Aufgabe wird es
sein, die Individualität des deutschen Bundesstaates staatsrechtlich
zu charakterisiren.