620 II. Von den Funktionen des Staatsorganismus.
Nach Stein ist die Polizei »die Gesammtheit aller derjenigen
Thätigkeiten der inneren Verwaltung, welche den Einzelnen vor den
Gefahren schützt, welche in den ihn umgebenden Kräften liegen,
indem sie diese Kräfte auf ihr richtiges Maass zurückführt. Der
Inhalt dieser Polizeithätigkeit ist ein wesentlich verschiedener, je
nachdem die gefahrdrohenden Kräftenatürliche odermenschlich-
persönliche sind. Den ersteren gegenüber kann der Schutz nur
darin bestehen, dass sie den natürlichen Bewegungen Einrichtungen
entgegenstellt, welche stark genug sind, jene zu hemmen. Den ın
den menschlichen Kräften liegenden Gefahren gegenüber kann der
Schutz nur darin bestehen, dass sie dem gefahrdrohenden Willen
der Individuen mit dem Staatswillen, als dem Verbote der gefähr-
deten Handlung, der wirklich gefährlichen That mit der unmittel-
baren Zwangsgewalt entgegentritt.« Diese Stein’sche Eintheilung
der Polizei nach der Art der zu bekämpfenden Gefahren
ist nicht haltbar und die Stein "sche Lehre bedarf hier einer wesent-
lichen Korrektur, dıe wir schon früher versucht haben. Das blosse
3jekämpfen von Naturkräften ist nach unserer Ansicht keine Polizei,
wenn nicht eine Zwangsgewalt gegen Personen damit verbunden
ist. Wenn der Staat Dämme gegen Wassergefahren aufwerfen
lässt, Feuerspritzen in Bereitschaft hält, so gehört dies an sich nicht
in das Gebiet der Pflege; polizeilich wirkt der Staat erst dann,
wenn er im Kampfe gegen natürliche Gefahren Zwangsgewalt
gegen Menschen anwendet. Für das Polizeirecht kommen nur die
Massregeln in Betracht, welche der Staat menschlichen Individuen
gegenüber ergreift. Nur diesen gegenüber giebt es eine Rechts-
sphäre, welche die Polizei mit ihren Zwangsmassregeln nicht ver-
letzen darf, wenn sie sıch nicht verantwortlich machen will. Den
unpersönlichen Kräften der Natur gegenüber giebt es nur Gewalt
und gar kein Recht. Nach unserer Auffassung ist das Polizei-
recht der Inbegriff der Grundsätze, welche die Polizei mit ihren
Zwangsmassregeln zur Abwendung drohender Gefahren aller Art
gegen menschliche Individuen einzuhalten hat.
Dagegen trägt eine andere Unterscheidung, welche bereits von
Soden angedeutet, von Stein wissenschaftlich ausgebaut worden
ist, wesentlich zur Klarheit bei.
Die Natur der Gefahren, welche von menschlichen Kräften
dem Gemeinwohl drohen, ist zweifacher Art; sie besteht ent-
weder in derungebändigten masslosen Kraft der Persön-
lichkeit überhaupt, welche dem Zustande der allgemeinen