54 11. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Rechtszustandes in Deutschland.
wurde!. Der gekrönte Kaiser nannte sich seit Maximilian I. »Er-
wählter Römischer Kaiser, allzeit Mehrer des Reiches, König in
Germanien«.
Dem Kaiser, als dem Reichsoberhaupte, stand zwar grundsätz-
lich die Reichsregierung zu, aber die wichtigsten Hoheits-
rechte konnten von ıhm nicht anders, als unter AMhtwirkung und
Zustimmung der gesammten Reichsstände, ausgeübt werden. In
dieser Beziehung bestimmt der westfälische Frieden J. P.O. VII
$ 2: »Gaudeant sine contradictione jure suffragii in omnibus deli-
berationibus super negotiis imperii, praesertim ubi leges feren-
dae vel interpretandae, bellum decernendum, tributa indicenda,
lelectus aut hospitationes militum instituendae, nova munimenta
intra statuum ditiones exstruenda nomine publico veterave firmanda
praesidiis, nec non ubi pax aut foedera facienda aliave ejusmodi
negotia peragenda fuerint, nihil horum aut qnicquam sımile post-
quam umquam fiat vel admittatur, nisi de comitialı liberoque omnıum
imperii statuum suflragio et consensu«. Da unter Reichstags-
zeschäften, »negotiis imperii«, selbstverständlich alle diejenigen
Staatsgeschäfte zu verstehen waren, welche das deutsche Reich an-
gingen oder wobei dieses auf irgend eine Weise interessirt war, so
konnten alle derartigen Regierungshandlungen nur unter Konkur-
renz des Reichstages vorgenommen werden; sie wurden daher als
kaiserliche Komitialrechte bezeichnet. Diejenigen wenig be-
deutenden Rechte dagegen, bei deren Ausübung der Kaiser jener
Zuratheziehung und Einwilligung des Reichstages nicht bedurfte,
hiessen kaiserliche Reservatrechte. Die Präsumtion stritt für
die Mitwirkung des Reichstages (»quicquam simile«) , die Reservat-
rechte bildeten eine Ausnahme von dieser Regel. Im einzelnen
hatte der Kaiser folgende Befugnisse: 1) in Betreff der Reichs-
gesetzgebung hatte er das Recht der Sanktion und Publikation.
Kein Beschluss des Reichstags, »consultum imperii«, wurde ohne
seine Ratifikation ein Reichsschluss, »conclusum imperii«. Der Kaiser
hatte somit das absolute Veto. 2) Der Kaiser galt ferner noch immer
als oberster Reichsrichter, Haupt und Beschützer der Reichsge-
richte, deren Vorsteher ihn repräsentirten; er hatte aber in eigent-
lichen Justizsachen regelmässig kein Selbstentscheidungsrecht, son-
ı Häberlin, a.a. OÖ. B. III. $ 456—503, über die Wahl und Krönung des
Kaisers. Pütterinst. 8456. B. J. Römer-Büchner Die Wahl und Krö-
nung der deutschen Kaiser zu Frankf. a. M. 1858.