Das Rechtsverhältniss des Staates zur Kirche. 669
auf die damals lebhaft verhandelte Streitfrage über dessen Rechts-
grund einzulassen.
Am tiefsten wurde der Bestand der katholischen Kirche
in Deutschland durch die Folgen der französischen Revolution
getroffen. Durch den R. D. H. Sch. vom 25. Februar 1803
wurde die Säkularisation durchgeführt, wodurch das stolze
tausendjährige Gebäude der deutschen Reichshierarchie zusammen-
brach (S. 78) und die katholische Kirche Deutschlands in einen
Trümmerhaufen verwandelt wurde. Es gelang ihr erst, mit der
Restauration und der ihr günstigeren Zeitströmung, auf deutschem
Boden eine neue Organisation zu erhalten. Ihr reicher Güterbesitz
blieb ıhr für immer verloren. Mit dem XIX. Jahrhundert beginnt
die vertragsmässige Regelung der völlig aufgelösten Kirchenverhält-
nisse durch Konkordate und Circumscriptionsbullen!.
Den Reigen eröffnete das bayerische Konkordat vom 24. Oktober
18172, dessen bedenkliche Grundsätze durch das in die bayerische
V. U. aufgenommene Religionsedikt vom 26. Mai 1818, ȟber die
äusseren Rechtsverhältnisse der Einwohner des Königreichs in
Bezug auf Religion und kirchliche Gesellschaft«, wesentlich wieder
abgestumpft wurden, indem es eine Kirchenhoheitsgesetzgebung
feststellte, durch welche das jus circa sacra und die Behandlung
des Verhältnisses der verschiedenen Kirchen auf dem Fusse einer
vollen Rechtsgleichheit gewahrt wurde. Die Diöcesanverhältnisse
der sogenannten oberrheinischen Kirchenprovinz wurden durch die
beiden Bullen »Provida sollersque« vom 16. August 1821 und »ad
Dominici gregis custodiam« vom 11. April 1827 geregelt. Auf eine
vertragsmässige Feststellung des Verhältnisses zwischen Staat und
Kirche liessen sich die betreffenden Staaten (Württemberg, Baden,
Hessen-Darmstadt, Nassau, Frankfurt a. M.) nicht ein, sondern er-
liessen staatsseitig eine das landesherrliche Schutz- und Aufsichts-
recht über die katholische Kirche betreffende Urkunde vom 30. Januar
1830. (Sogenannte Kirchenpragmatik.) Aehnlich verfuhr man in
Hannover, dessen Diöcesanverhältnisse die Bulle »Impensa Roma-
norum pontificum« vom 26. März 1824 umschrieb. Auch in Preussen
1 Ueber den Unterschied von Konkordaten und Circumscriptionsbullen
vergl. den Aufsatz von E. Herrmann, Bluntschli’s Staatsw. B. V.
S. 701— 744.
? Ucber Bayern besonders H. v. Sicherer, Staat und Kirche in Bayern
vom Regierungsantritt des Kurfürsten Max. Joseph IV. bis zur Erklärung
von Tegernsee. 1799—1821. 1873.