Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

Das Rechtsverhältniss des Staates zur Kirche. 683 
setzliche Grundsätze zu bringen und die Entscheidungen der Staats- 
gewalt mit gerichtlichen Garantien zu umgeben versucht. Dem 
Beispiele der preussischen Kirchengesetzgebung folgten mehrere 
deutsche Mittelstaaten, zuerst Baden mit seinem Gesetze vom 
19. Februar 1874, die Aenderung einiger Bestimmungen des Ge- 
setzes vom 9. Oktober 1860, die rechtliche Stellung der Kirchen und 
kirchlichen Vereine betr. (Zorn, a.a. O. S. 50.), das Grossherzog- 
thum Hessen mit seinen Gesetzen, die rechtliche Stellung der 
Kirchen und Religionsgemeinschaften im Staate betr. u. s. w. vom 
23. April 1875 (Zorn, a.a.O.S. 92—102), endlich das Königreich 
Sachsen mit dem Gesetz vom 23. August 1876, die Ausübung des 
staatlichen Oberaufsichtsrechtes über die katholische Kirche im 
Königreich Sachsen betreffend. 
Nach einem fest begründeten deutschen Staatsherkommen, wie 
nach dem Stande der neuesten Gesetzgebungen, offenbart sich die 
Kirchenhoheit des Staates über die katholische Kirche besonders in 
folgenden Punkten: 
1) in dem Rechte des Placet, d. h. in der Befugniss der 
Staatsgewalt, von allen Erlassen der kirchlichen Behörden, besonders 
auch des Papstes, Kenntniss zu nehmen und ihre Veröffentlichung 
zu gestatten oder zu verweigern. Biszum Jahre 1840 bestand 
dasselbe in allen deutschen Staaten. Seitdem ist es in 
einzelnen Staaten aufgehoben oder beschränkt. In Preussen ist es 
beseitigt und auch durch die neuere Gesetzgebung nicht wieder 
hergestellt worden. Unverändert besteht esin Bayern. Die anderen 
Staaten machen gewisse Unterschiede je nach dem Inhalte der Ver- 
ordnungen; alle kirchlichen Verordnungen müssen gleichzeitig mit 
der Verkündigung der Staatsregierung mitgetheilt werden; einer 
ausdrücklichen Genehmigung bedürfen nur solche, welche in die 
bürgerlichen Verhältnisse der Staatsangehörigen eingreifen. Bad. 
Gesetz vom 9. Oktober 1860 $ 15. Württemb. Gesetz vom 30. Januar 
1862 Art. 1. Hessisches Gesetz vom 23. April 1875 Art. 5 u. s. w.; 
2) in einer Mitwirkung des Staates bei Errichtung, Veränderung 
und Besetzung der Kirchenämter. In erster Beziehung ist eine Mit- 
wirkung des Staates schon deshalb erforderlich, um für die be- 
treffenden Aemter die Anerkennung des Staates zu erlangen. Bei 
der Besetzung der Kirchenämter stellt der Staat einerseits 
gewisse gesetzliche Bedingungen der Anstellung fest: Staats- resp. 
Reichsangehörigkeit des Anzustellenden, wissenschaftliche Vor- 
bildung auf bestimmten Anstalten, Ablegung einer Prüfung, die
	        
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