Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

56 U. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Rechtszustandes in Deutschland. 
berufene, unter seiner Autorität berathende und beschliessende Ver- 
sammlung sämmtlichen Reichsstände. 
Jeder Gedanke an eine Volksvertretung war dem deut- 
schen Reichstage fremd. An irgend eine planmässige Vertheilung 
der Stimmen, an eine systematische Zusammensetzung des Reichs- 
tages war niemals gedacht worden. Alles beruhte auf Herkommen 
und besondern historischen Rechtstiteln. 
Reichsstand war. wer Sitz und Stimmrecht auf dem Reichs- 
tage hatte. Früher konnte der Kaiser allein Reichsstände kreiren, 
seit 1653 wurde aber die reichskollegialische Kooptation und die 
Habilitation mit einer reichsunmittelbaren Herrschaft, als einem für 
die dingliche Grundlage der Reichsstandschaft genügenden Lande, 
erfordert, um die Reichsstandschaft zu erwerben (Wahlkapit. Ferdi- 
nand's IV. 1653. A. 45. 1792. 18 5). Dieselbe haftete nicht an der 
Person des Landesherrn, auch nicht an der regierenden Familie, 
sondern war, kraft ihres dinglichen Charakters, auf das Land radı- 
cirt oder »gegrundfestigt«. Als Normaljahr für die Stimmenführung 
wurde das Jahr 1582 observanzmässig angesehen. Seit diesem Jahre 
hatte sich gewissermassen ein eisernes Inventar der weltlichen Stim- 
men des Fürstenrathes festgestellt !. 
Seit dem 14. Jahrh. hatte man angefaugen, auf dem Reichstage 
in drei Kollegien zu berathen, indem sich die Kurfürsten zuerst bei 
einzelnen Veranlassungen, dann regelmässig besonders versammelten 
und die Reichsstädte immer getrennt berathschlagt hatten. So ent- 
standen: a) das Kollegium der Kurfürsten unter dem Vor- 
sitze von Kurmainz, b, der Reichsfürstenrath, welcher in eine 
geistliche und eine weltliche Bank zerfiel. Unter den 100 Stimmen 
waren sechs Kurialstimmen, von denen vier der wetterauischen, 
schwäbischen, fränkischen und westfälischen Grafenbank, zwei den 
schwäbischen und rheinischen Prälaten gehörten; c) das Kolle- 
gium der Reichsstädte bestand aus der schwäbischen und der 
rheinischen Städtebank. 
Früher hing es lediglich vom Kaiser ab, wann er einen Reichıs- 
tag berufen wollte, später wurde er durch Wahlkap. A. XIII $ 1 
verpflichtet, dies wenigstens alle zehn Jahre zu tlıun. Seit 1663 war 
der Reichstag thatsächlich zu Regensburg permanent geworden. 
Die Reichsstände erschienen nicht mehr in Person, sondern durch 
tJ. J. Moser, Abhandlung von dem Ursprunge und dem Grunde der 
jetzigen Reichstagsstimmen in den Moserianis. Ih. I. Nr. 1. Repertorium des 
Staats- und Lehenr. B. IV S. 650. Reichsstand.
	        
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