l. Die Zeiten des ältern deutschen Reiches. 59
eines immerwährenden Landfriedens bedacht war, desto eindring-
licher stellte sich auch die Forderung eines ständigen, geordneten
und unabhängigen Reichsgerichtes heraus. Nach verschiedenen
gescheiterten Versuchen kam endlich, als nothwendiges Korrelat
des ewigen Landfriedens, unter Kaiser Maximilian I. die Errichtung
»des Kaiserlichen und Reichskammergerichtes« am 7. August 1495
zu Stande.
1! Das Reichskammergericht! war das erste ständige
oberste Reichsgericht in Deutschland. Es wurde nicht, wie das
frühere Hochgericht, vom Kaiser allein, sondern vom Kaiser und
den Reichsständen gemeinsam besetzt. Es bestand seit 1495 aus
einem Kammerrichter, dem eigentlichen Stellvertreter des Kaisers,
welcher womöglich ein Reichsfürst oder doch wenigstens gräflichen
oder freiherrlichen Standes sein sollte, und aus 16 Beisitzern, welche
zur llälfte Graduirte der Rechte, zur Hälfte wenigstens ritterbürtig
sein sollten. Die Zahl der Beisitzer wechselte mannıgfach. Der
Kaiser ernannte den Kammerrichter, die beiden diesem seit 1530
zur Seite stehenden Präsidenten und Einen Beisitzer. Alle übrigen
Beisitzer wurden dem Gerichte von den Reichsständen nach Kreisen
präsentirt und von diesem nach befundener Tüchtigkeit ange-
nommen. Anfangs wechselte das Reichskammergericht seinen Sitz
mehrfach, 1526 kam es nach Speyer, von 1689—1806 war sein Sitz
zu Wetzlar. Es wurde durch Beiträge der Reichsstände erhalten.
Das mangelhafte Eingehen dieser sog. Kammerzieler war ein
Ilauptgebrechen der ganzen Einrichtung. Seit dem westfälischen
1 J.J. Moser, Justizverfassung B. II. 8. 282, wo aueh eine umfassende
Literaturangabe sich findet. A. J. K. von Fahnenberg, Literatur des RKG.
Wetzlar 1792. Julius Friedrich Malblank, Anleitung zur Kenntniss der
deutschen Reichs-, Provinzialgerichts- und Kanzleiverfassung und Praxis.
Nürnb. und Altdorf 1791. 4 Thle., vom RKG. handeln B. I., II. und IV.
J.H, Frhr. v. Harpprecht’s Staatsarchiv des K.und RKG. 4 Thle. Ulm und
Frankf. 1757—1760. 4. Als Fortsetzung davon: Geschichte des K. und RKG.
unter der Regierung Karl's V. 5 Theile. Frankf. 1767 und Geschichte des RKG.
von den Jahren 1545—1558. 6 Theile. Ulm 1785. Benj. Ferd. Mohl, Versuch
eines Systems der Gerichtsbarkeit des K.und RKG. 2 Thle. Tübingen 1791. 8.
Pütter, inst. $263 ff. Gönner, Staatsr. $ 311. Leist, Staatsr. $ 125. Hä-
berlin, B.IH. 8.299. Ueber den Process des RKG. vergl. besonders Pütter,
nova epitome processus imperii amborum tribunalium supremorum, ed. IV. 1786.
G. H, von Berg, Grundrecht der reichsgerichtlichen Verfassung und Praxis.
Göttingen 1797. D. Danz, Grundsätze des Reichsgerichtsprocesses, Stuttg.
1795. Uebersichtlich für die Geschichte ist ein Aufsatzüber das vormalige RKG.
und seine Schicksale von Thu dichum, Zeitschr. für deutsches Recht B. XX.
S. 118-223,