Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

62 II. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Rechtszustandes in Deutschland. 
dere die königliche Gerichtsbarkeit in Deutschland immer mehr an 
Ansehen verlor, suchte man sich auf dem Wege der Einigung die 
Sicherheit der Rechtspflege zu verschaffen, welche die schwache 
Staatsgewalt zu gewähren nicht vermochte. Es wurden auf Grund 
der Einigung ein für allemal Formen festgestellt, in welchen die 
Vereinsgenossen erst in Güte, sodann im Wege Rechtens ihre 
Händel entscheiden lassen sollten. So entstanden die Austräge, 
nicht als Gerichte von Staatswegen, sondern als Gerichte auf Grund 
der geschlossenen Einigung. Das Austrägalwesen wurzelte so tief 
im Standesbewusstsein der Reichsunmittelbaren, dass auch mit der 
Gründung des Reichskammergerichts die Austräge nicht beseitigt 
werden konnten. Vielmehr erhielten sie 1495 eine reichsgesetzliche 
Sanktion, erfuhren aber zugleich eine völlige Umgestaltung. Die 
Austrägalinstanz wurde von nun an eine Institution der Reichs- 
justizverfassung, als Unterinstanz der Reichsgerichte. Man unter- 
schied gewillkürte, privilegirte und gesetzliche Austräge. Das Aus- 
trägalverfahren war ein Vorzug der Reichsunmittelbaren,, welches 
aber nach dem Range der Personen vielfach abgestuft war und sıch 
in sehr verschiedenen Formen bewegte. Von den Erkenntnissen 
der Austrägalinstanzen konnte regelmässig an eines der höchsten 
Reichsgerichte appellirt werden. Bei diesen musste auch die Voll- 
streckung der rechtskräftig gewordenen Austrägalurtheile nachge- 
sucht werden. 
g 81. 
6) Kriegs-, Finanz- und Polizeiwesen des Reiches. 
A. Kriegswesen!. 
1) In Friedenszeiten gab es keine Reichsarmee: sie wurde viel- 
mehr nur ım Falle eines Reichskrieges aus den Kontingenten der 
einzelnen Reichsstände zusammengesetzt. Die Grösse der von den 
Reichsständen zu stellenden Kontingente wurde früher nach der 
Wormser Reichsmatrikel von 1521 bestimmt (Schmauss B. I 
insbesondere von dem, einem Kläger geringern Standes vortheilhaften Wege, 
einen Fürsten zu belangen. Halle1779. J.J. Moser, Von der deutschen Justiz- 
verfassung I. 46. Malblank. IV. S. 420ff. Von neueren Schriften ist zu nennen 
Fr. W. von Leonhardi, Das Austrägalverfahren des deutschen Bundes. 
Frankf. 1838, S. 16-87, woselbst auch eine vollständige Literaturangabe und 
ein übersichtlicher Aufsatz vonL. K. Aegidi, Staatswörterbuch B. 1. S. 533 ff. 
1 Pragmatische Erörterung der Grundsätze der deutschen Reichskriegsver- 
fassung (v. G. F. v. Blum,. Frankf. und Leipzig 1795. Pütter, inst. $ 354 ff. 
Häberlin. B. II. S. 235 ff. Derselbe im Staatsarchiv I. Heft. A. IV.
	        
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