Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

l. Dice Zeiten des ältern deutschen Reiches. 67 
wirklichen Staatsgewalt. Diese Ausbildung der Landeshoheit ging, 
wie alle Umgestaltungen dieser Art, nur allmälıg und unmerklich 
vor sich. Die Reichsgesetze anerkannten und bekräftigten blos. was 
sich ım Laufe der Jahrhunderte gewohnheitsrechtlich gebildet hatte. 
In ihrer vollendeten Ausbildung, etwa seit dem westfälischen Frie- 
den, war die Landeshoheit eine wahre Staatsgewalt über eimen 
deutschen Partikularstaat. welche von dem Inhaber in eigenem 
Namen’ und aus eigner Macht. jedoch in Unterordnung unter die 
RReichsstaatsgewalt. ausgeübt wurde. 
Der Landesherr war als solcher keineswegs Eigenthümer des 
Landes; doch wurde die Landeshoheit selbst. nach der eigenthüm- 
lichen Auffassung des damaligen unentwickelten Staatsrechtes, als 
ein auf dem Territorrum haftendes Immobiliarrecht angeschen. 
3eschränkt war die Landeshoheit I durch die Landesver- 
fassung der einzelnen Territorien, besonders durch die Rechte 
der Landstände. Wo es aber dergleichen nicht gab. etwa in ganz 
kleinen Ländern, bildeten doch die wohlerworbenen Rechte der 
Unterthanen. der Gemeinden. Korporationen. der Kirche bedeut- 
same Schranken gegen Willkür. 2) Durch die allgemein anerkannte 
Unterordnung der landesherrlichen Gewalt unter die Reichsgewalt. 
Die Unterordnung der Landeshoheit unter die Reichsgewalt machte 
sich besonders in folgenden Punkten geltend: a: der Reichsgewalt 
stand ein allgememes Oberaufsichtsrecht über die Landesregierungen 
zu, kraft dessen besonders darüber gewacht wurde. dass die Lande. 
herrn sich bei der Ausübung ihrer Staatsgewalt nach den reichsge- 
setzlichen Vorschriften richteten; b) kein Landesgesetz durfte ab- 
solut verbietenden Reichsgesetzen widersprechen oder die Verpflich- 
tungen gegen den Reichsverband verletzen; c; die Unterthanen 
durften wegen Missbrauchs der Landeshoheit nicht nur ausserge- 
richtlich bcı dem Kaiser, sondern auch bei den höchsten Reichs- 
gerichten Hilfe und Beistand suchen; d’ alle Streitigkeiten zwischen 
deutschen Landesherm durften nur auf rechtlichem Wege ausge- 
macht werden. alle Selbsthülfe war verboten (1. P O.XVIL.$7 
e, gegen Kaiser und Reich gerichtete Bündnisse waren verboten 
(I. PO. VII. $2. f}; unter Einhaltung der reichsgesetzlichen For- 
men konnte ein Landesherr zur Strafe seiner Landeshoheit durch 
die leichsgewalt entsetzt werden. Abgeschen von diesen ganz 
bestimmt gezogenen Grenzen war aber die Landeshoheit als eine 
zwar untergeordnete, aber doch selbständige Gewalt gegen alle Ein- 
griffe selbst von Seiten des Reichsoberhauptes und der höchsten
	        
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