‘6 11. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Rechtszustandes in Deutschland.
eigene korporative Verfassung. In ähnlichen Verhältnissen, wie die
Reichsritter, standen noch einzelne im Reiche zerstreute Landes-
herrn, welche reichsunmittelbar, aber nicht reichsständisch waren.
IMierher gehörten die sog. adligen Gauerbschaften, unter ihnen
die Burg Friedberg und Gelnhausen. Endlich gab es sogar Reichs-
dörfer', d.h. freie Landgemeinden mit selbstgewählter Obrigkeit,
welche unmittelbar unter Kaiser und Reich standen.
y-
l.
II:
Staatliche Entwickelung der beiden Grossmächte im Osten
Deutschlands.
Während im Süden und Westen Deutschlands der klassische
boden jener grenzenlosen Zerstückelung und Kleinstaaterei war,
aus welcher nur einzelne lebensfähige mittlere "Territorien hervor-
ragten, hatten sich im östlichen Deutschland zwei grossmächtliche
Staatsbilduugen entwickelt, welche nur nominell mit dem Reiche
ın Zusammenhang standen, sonst aber ihren staatlichen Schwer-
punkt in sich selbst trugen. Ohne eingehende Berücksichtigung
ihrer staatlichen Eigenthümlichkeiten bleibt die deutsche Staatsge-
schichte unverständlich 2. Beide Mächte hatten den gleichen Aus-
gyangspunkt von der, auf ursprünglich slavischem Boden gegründeten
Markgrafschaft. Ihr weiterer Entwickelungsgang und ihr
Endziel waren aber mit geschichtlicher Nothwendigkeit durchaus
versehleden.
I) Oesterreich?®.
Als (lie bayerische Ostmark 1156 vom lerzogthum Bayern ge-
trennt wurde. erhielt das neue Herzogthum bereits eine weitgehende
! Ernst Ludwig v. Dachröden Versuch eines Staatsrechtes der freien
Reichsdörfer. B. I. Leipzig 1185.
?2 Es ist eine Lücke in der herkömmlichen Behandlung der deutschen Staats-
und Rechtsgeschichte, dass man die verkommenen Staatsatome im südlichen und
westlichen Deutschland als allein würdiges Objekt der Betrachtung mit Vorliebe
behandelt, während man den Grossstaat Oesterreich und die Anfänge des
Staates, welcher zuerst den Staatsgedanken in Deutschland verwirklichte und die
Keime des wiedergeborenen deutschen Reiches virtuell in sich trug, fast ganz
ignorirt.
3 Eine werthvolle Untersuchung über die frühreife Entwickelung der Lan-
ddeshoheit zur vollen 'Territorialgewalt in Oesterreich giebt Berchtold, Die
T.andeshoheit Oesterreichs. 1862. Für die spätere Zeit: Cl. Th. Plerthes, Po-
litische Zustände und Personen in den deutschen Ländern des Hauses Oecster-
reich von Karl V]1. bis Metternich. Gotha 1569. Franz Ferdinand Schrötler,
Abhandlungen aus dem österreichischen Staatsrechte. 5 Bde. Von demselben