76 I. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Bechtszustandes in Deutschland.
kronen trugen. war die Reichsgewalt thatsächlich machtlos. nur
den schwachen und kleinen Staatsgebilden im Süden und Westen
gegenüber »behauptete sie noch eine gewisse Autorität. Aber die lose
Form des Reiches war, als untrennbar gedachter Bestandtheil des
alten Gleichgewichtssystems mit allen europäischen Verhältnissen
so eng verflochten. dass es noch der grössten Katastrophe bedurfte.
um die selbst in ihrer Altersschwäche noch ehrwürdige Form des
deutschen Reiches völlig zu sprengen. Es war die französische Re-
volution mit ihren weitern weltgeschichtlichen Konsequenzen, welche
auch »das heilige römische Reich deutscher Nation« in den allge-
meinen Umsturz zog. Acussere Veranlassung zum Zusammenstosse
mit Frankreich gaben mancherlei gegenseitige Beschwerden: so
nahmen die durch die Dekrete der französischen Nationalversamm-
lung vom 4. August 1789 in ihren Rechten in Elsass und Lothrin-
gen gekränkten Reichsstände den Schutz des Reichs in Anspruch
(Reuss. Staatskanzlei Bd. 24—26. 29. 30. wo auch »das ausgiebige
Reichsgutachten« zu finden: ; so beschwerte sich Frankreich über
die Unterstützung. welche die Emigranten in ihren Invasionsplänen.
besonders beim Kurfürsten von Trier fanden. Der tiefere innere
Grund des unvermeidlichen Zusammenstosses lag aber in dem un-
versöhnlichen Gegensatze zwischen der mittelalterig-feudalen Staats-
ordnung des Reiches und den Prinzipien der Revolution mit ihrem
ausgesprochenen Charakter einer europäischen Propaganda. Vor
allem bedurfte aber die radikale Jakobinerpartei im Konvente des
Krieges. um ihre blutgetränkte Schreckensherrschaft im Innern
Frankreichs zu behaupten. Aın 20. April 1792 erklärte Frankreich
und 1792. Leipzig 1875. Ferner das bereits erwähnte Werk von Perthes, Das
deutsche Staatsleben vor der Revolution. 1545. Derselbe, Politische Zustände
in Deutschland zur Zeit der französischen Herrschaft. Das südliche und westliche
Deutschland. 1562. Derselbe, Politische Zustände in den deutschen Ländern
Oesterreichs. 1869. L. Ennen, Frankreich und der Niederrhein oder Geschichte
von Stadt und Kurstaat Köln seit dem 30 jährigen Kriege bis zur französischen
Revolution. 2 Bde. Köln 1855—56. Hermann Hüffer, Diplomatische Ver-
handlungen aus der Zeit der französischen Revolution. B. I.: Oesterreich und
Preussen, gegenüber der französischen Revolution bis zum Abschlusse des Frie-
dens von Campo-formio. Bonn 1865. Heinrich von Treitschke, Deutsche
Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. I. Th. bis zum zweiten Pariser Frieden,
Leipzig 1879, ist durch lichtvolle Uebersicht über die 'Ühatsachen, so wie durch
Gedankenreichthum hochbedeutsam für die neueste deutsche Staatsgeschichte.
Die wichtigsten Urkunden und Aktenstücke dieser Zeit finden sich bei Philipp
Anton Guidov. Meyer, Corpus juris confoederationis Germanicae, ergänzt und
fortgesetzt von Heinrich Zöpfl, Th. I.: Staatsverträge. III. Aufl. Frankf.a.M.
1858. Auf dieses Werk verweisen die meisten Citate im Texte.