Die Auflösung des deutschen Reiches und der Rheinbund. 9
erhielt in vielen Beziehungen ein neues Reichsstaatsrecht. welches
noch eine bedeutende Literatur hervorrief!.
Das geistliche Fürsteuthum. dieser charakteristische Zug der
mittelalterigen Reichsphysiognomie, wurde fast gänzlich beseitigt.
(lie Reichsstädte gingen bis auf sechs verloren, indem aus diesen Ele-
menten der Entschädigungsfonds für die erblichen Fürsten gebildet
wurde.
In dem Kurfürstenrathe erloschen Köln und Trier, der Stuhl
von Mainz wurde auf Regensburg übertragen, der ex jure novo do-
tirte Kurerzkanzler war nun der einzige geistliche Kurfürst. dagegen
wurden vier neue weltliche Kurwürden begründet für Württemberg.
Baden. Ilessen-Rassel und Salzburg. Es gab somit 10 Kurfürsten.
Der Städterath schmolz auf 6 Mitglieder zusammen: Augsburg.
Lübeck. Nürnberg, Frankfurt, Bremen und Ilamburg. Im Fürsten-
rathe erloschen alle geistlichen Stimmen bis auf drei, die vier Ku-
rıatstimmen der Grafenbände wurden beibehalten. Gegen die Neu-
kreirung von Virilstimmen im Fürstenrathe, wie sie der Reichsdepu-
tationshauptschluss $& 32 vorgeschlagen hatte. legte der Kaiser sein
Veto ein. sodass diese Virilstimmen, in Ermangelung der reichs-
oberhauptlichen Sanktion, nie ins Leben treten konnten; dagegen
waren «die Stimmen der säcularisirten Stifter. welche als Entschä-
digungslande auf die Erbfürsten gekoinmen waren. unmittelbar
aktive vollgültige Stimmen, deren Führung keiner kaiserlichen Ge-
nehmigung mehr bedurfte?. Durch den Wegfall von 15 über-
rheinischen Stimmen sank die Zahl von 100 auf 82, von denen 53
resp. 52 evangelisch, 29 resp. 30 katholisch waren. Die Eintheilung
in eine geistliche und weltliche Bank wurde zwar beibehalten, aber
nicht als organische Einrichtung, sondern als blosser Abstimmungs-
modus. In solcher Weise bestand der Fürstenrath bis zum Ende
ddes Reiches.
Entschädiguugsplan. Regensburg 1502. K.E.A.v. Hoff, Das deutsche Reich
vor der französischen Revolution und nach dem Frieden von Luneville. 2 Thle.
Gotha 1S01 und 1815. Karl Wilhelm v. Lancizolle, Uebersicht der deutschen
Reichsstandschafts- und Territorialverhältnisse vor dem französischen Revolu-
tionskriege, der seitdem eingetretenen Veränderungen und der gegenwärtigen
Bestandtheile des deutschen Bundes und der Bundesstaaten. Berlin 1830.
! Das kurzlebige Reichsstaatsrecht dieser Uebergangsperiode behandeln
Justus Christoph Leist, Lehrb. des deutschen Staatsr. Gött. 1. Aufl. 1803.
2. Aufl. 1805. Nikolaus Thaddäus Gönner, Teutsches Staatsrecht. Landshut
1804. Th. Schmalz, Handbuch des tcutschen Staatsr. Halle 1804.
? Vergl. hierüber die gründliche Schrift von K. TI. Aegidi, Der Fürsten-
rath nach dem TLuneriller Frieden. Berlin 1853.