Full text: Lehrpläne und Lehraufgaben für die höheren Schulen in Preußen von 1901.

12 Evangelische Religionslehre. 
über das Kirchenjahr und die gottesdienstlichen Ordnungen, sowie 
eine besonders an Luthers Person sich anschließende Erzählung der 
Reformation. Für die rechte Behandlung des Lutherischen Katechismus, 
bei der auch die unterscheidenden Grundlehren anderer christlicher 
Hauptbekenntnisse zu berücksichtigen sind, hat der Lehrer vor allem 
Luthers eigene Ausführungen im großen Katechismus zu verwerten. 
Ein erster Abschluß wird auf der Mittelstufe erreicht, indem ein 
synoptisches Evangelium behufs zusammenhängender Auffassung des 
Lebens Jesu gelesen und erklärt und seine wichtigsten Reden eingehend 
behandelt werden. 
Auf der Oberstufe wird die Kenntnis der Schriften des 
Neuen Testamentes in dem bei den besonderen Lehraufgaben be- 
zeichneten Umfange erweitert, wobei dem Lehrer bei der Wahl im 
einzelnen freie Bewegung, auch mit Rücksicht auf die Leistungs- 
fähigkeit seiner Schüler, zu lassen ist. Als Einleitung in die Geschichte 
der Kirche dient das Lesen und die Erklärung der Apostelgeschichte. 
Die Kirchengeschichte soll nur in ihren Hauptmomenten und 
mit bestimmter Ausscheidung alles dessen gelehrt werden, was nicht 
von unmittelbarer Bedeutung für die religiös-kirchliche Bildung 
unserer Jugend ist. Sie hat sich also im wesentlichen auf die Dar- 
stellung des Urchristentums, des siegreichen Eintritts des Christen- 
tums in die Weltgeschichte, der Entwickelung und Gestaltung der 
Kirche im Mittelalter, der Reformation und ihrer Vorbereitung und 
auf die wichtigsten Erscheinungen der neueren Zeit zu beschränken. 
Dabei ist stets das Ziel im Auge zu behalten, daß der Schüler zu 
verständnisvoller Teilnahme an dem kirchlichen Leben der Gegenwart 
befähigt werde. 
Die christliche Glaubens= und Sittenlehre wird nicht nach 
einem System, sondern im Anschluß an die neutestamentlichen Schriften 
und in Verbindung mit der Erklärung der Augustana gelehrt, von der 
die Artikel I—XVI, XVIII und XX vor anderen in Betracht kommen 
werden. Dabei sind die Schüler auch mit den Unterscheidungslehren 
der christlichen Hauptbekenntnisse vertraut zu machen. 
Auch in der Prima des Gymnasiums ist bei dem Lesen der 
neutestamentlichen Schriften im allgemeinen der deutsche Text zu- 
grunde zu legen. Für wichtige Abschnitte ist jedoch der griechische 
Text heranzuziehen, um die Schüler zum Zurückgehen auf den Urtext 
anzuleiten. Es ist aber vorzusehen, daß der Unterricht dadurch nicht 
einen philologischen Charakter bekomme und sein Hauptzweck ge- 
fährdet werde. 
Aus den Einleitungswissenschaften für die biblischen Bücher ist 
nur das für die Lektüre Notwendigste zu geben. Kritische Unter- 
suchungen auf diesem Gebiete gehören nicht in den Bereich der Schule
	        
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