8 3, Geschichte des Völkerrechts. 15
& 3. Geschichte des Völkerrechts,. 1
I. Periode: bis 1648.
1. Notwendige tatsächliche Voraussetzung für die Entstehung
eines V.ölkerrechts ist das gleichzeitige Bestehen (die Koexistenz)
mehrerer Staaten. von ungefähr ‚gleicher Macht, die, durch die Ge-
meinsamkeit ihrer Kultur und ihrer Interessen verbunden, in stetem
und lebhaftem Verkehr miteinander stehen.
Das Völkerrecht ist unverträglich mit dem Gedanken eines,
sei es durch einen besonderen Bund mit der Gottheit, sei es durch
eine überlegene und eigenartige Kultur „auserwählten Volkes“.
So lange im Sinne des jüdischen wie des klassischen Altertums
der Staatsfremde als Feind, als Ungläubiger oder als Barbar galt,
konnte ein Völkerrecht sich nicht entwickeln. Das Völkerrecht ist
aber auch unverträglich mit dem Gedanken einer Weltherrschaft,
mag diese auch in kluger Politik das Sonderleben der unterworfenen
Völkerschaften achten und erhalten, wie das im Altertum Rom
schon getan hat, Daher war auch die Ausbreitung des Christen-
tums, obwohl sie die unentbehrliche Grundlage einer gemeinsamen
religiös-ethischen Anschauung schuf, doch nicht ausreichend für die
Entstehung des Völkerrechts, solange die römisch-deutschen Kaiser
und im Wettbewerb mit ihnen die römisch-katholische Kirche nach
1) Laurent, Etudes sur l’histoire de l’humanite. Histoire du droit des
gens et des relations internationales. 18 Bde. 1851 bis 1870. — v.Holtzen-
dorff, H. H. I 159 schließt die Geschichte des Völkerrechts gerade mit
dem Jahre 1648. Dagegen bringt Rivier hier I 353 eine wertvolle Dar-
stellung der Literaturgeschichte des Völkerrechts. — Nys, Les origines du
droit international. 1894. Verschiedene Aufsätze desselben Verfassers in
der R.J. Derselbe, Etudes de droit international et de droit politique.
1896. Walker, History of the law of nations. I. Bd. 1899. Pierantoni,
Storia degli studi del diritto internazionale in Italia. 2. Aufl. 1902. — Les
fondateurs du droit international, leurs @uvres, leurs doctrines. Avec une
introduction de A. Pillet. 1904. (Eine Sammlung von Arbeiten über
Vitoria, Gentilis, Suarez, Grotius, Zouch, Pufendorf, Bynkershoek, Wolf,
Vattel, G. F. Martens).