96 I. Buch. Die Rechtssubjekte des völkerrechtlichen Stastenverbands.
Regelmäßig findet sich endlich in den deutschen wie außer-
deutschen Verträgen eine Bestimmung, für die der Freundschafts- usw.
Vertrag des Deutschen Reiches mit Honduras vom 12. Dezember 1887
(R.G.B1.1888 S.262) als Beispiel dienen mag. Hier wird vereinbart,
daß die in Honduras geborenen ehelichen Kinder eines Deutschen als
Deutsche, die in Deutschland geborenen Kinder eines hondurenischen
Vaters als Hondurener gelten sollen; die großjährigen Söhne müssen
aber nachweisen, daß sie die auf den Militärdienst ihrer Nation bezüg-
lichen Gesetze erfüllt haben, widrigenfalls sie als Bürger ihres Ge-
burtslandes angesehen werden können. Nach dem Freundschafts- und
Handelsvertrag des Deutschen Reiches mit Bolivia vom 22. Juli 1908
(R.G.Bl. 1910 S. 507) haben die Söhne das Recht, bei Vollendung des
21. Lebensjahres sich für die Nationalität ihres Geburtsstaates zu ent-
scheiden (sogenanntes Optionsrecht; nicht mit der oben $ 10 II 2 be-
sprochenen ÖOptionsklausel zu verwechseln).
Auch der Abschluß von Kollektivverträgen ist wiederholt, - aber
bisher ohne Erfolg, vorgeschlagen worden’).
III. Der Staat schützt seine Angehörigen, mögen sie sich im Inland
oder im Ausland aufhalten, gegen das im Internationalen Verkehr von einem
fremden Staat unmittelbar oder mittelbar ihnen zugelügte oder drohende
Unrecht.
Dieso Schutzgewalt über seine Staatsangehörigen dem Auslande
gegenüber ist unmittelbarer AusflußB des Begriffes der Staatsgewalt
und daher die unabweisbare Folgerung aus dem Grundgedanken des
Völkerrechts. Jeder Eingriff in diese Schutzgewalt erscheint mithin,
soweit nicht besondere Vereinbarungen eingreifen, als eine Verletzung
der Souveränität der Staatsgewalt, als völkerrechtliches Delikt. Die
von Frankreich über die Katholiken im Orient ohne Rücksicht auf ihre
Staatsangehörigkeit auf Grund älterer Rechtstitel®) in Anspruch ge-
nommene Schutzgewalt stand daher mit den modernen Rechtsanschau-
ungen in Widerspruch. Das Deutsche Reich hat demgemäß die fran-
zösischen Ansprüche jederzeit, so 1875, 1898, und 1901, mit Bestimmt-
heit zurückgewiesen. Der Berliner Vertrag vom 13.Juli 1878 hat
zwar in Art.62 ‚die bestehenden Rechte Frankreichs ausdrücklich
gewahrt“ ; aber aus diesen „bestehenden Rechten“ ergibt sich nirgends
die französische Schutzgewalt über die einem fremden Staate ange-
hörigen katholischen Untertanen. Mit dem Wegfall der Kapitulationen
5) Vgl. Institut 1896, und dazu Catellani, R.J. XXIX 248.
6) So z. B. Londoner Protokoll vom 3. Februar 1830 bei Fleischmann
33 Note2. Vgl. dagegen das Protokoll über den Anschluß des Deutschen Reichs
an die ägyptische Gerichtsreform vom 5. Mai 1875 bei Fleischmann 145.
Vgl. ferner v. Verdy du Vernois, Die Frage der heiligen Stätten Palästinas.
Berliner Diss. 1901. Aubös, Le protectorat religieux de la France en Orient. 1904.