30 Einleitung.
schen den beiden Mächten bestehenden Streitfragen beseitigt und die
Vormachtstellung Großbritanniens in Ägypten, Frankreichs in Marokko
(sein Recht zur penetration pacifique) anerkannt. Da das Deutsche
Reich gegen die Beeinträchtigung seiner Stellung in Marokko als meist-
begünstigte Nation, die ihm durch die Madrider Konvention vom
3. Juli 1880 (R.G.Bl. 1881 S.103) und den Handelsvertrag mit Ma-
rokko vom 1. Juni 1890 (R.G.Bl. 1891 S.378) zugesichert war, Wider-
spruch erhob, kam es zur Konferenz von Algeciras (16. Januar
bis 13. März 1906), an der, außer Marokko, die europäischen Großmächte,
Belgien, die Niederlande, Portugal, Schweden, Spanien und die Ver-
einigten Staaten Amerikas teilnahmen, und Italien, durch die Aussicht
aufTripolis verlockt, die Interessen der Westmächte vertrat. Die Schluß-
akte vom 7.April 1906 (R.G.Bl. 1906 S.891), der auch Marokko bei-
getreten ist (R.G.Bl. 1907 S.19), ging von der Souveränität Marokkos,
der Integrität seines Gebietes und dem Prinzip der „offenen Türe‘ aus.
Ihre Bestimmungen wurden durch den Gang der Ereignisse rasch
überholt.
Die Entente cordiale zwischen Großbritannien und Frankreich
führte weiter zu einer Vereinbarung zwischen diesen Staaten und
Italien vom 13. Dezember 1906 (Strupp II 188), durch die die Unab-
hängigkeit Abessiniens, die Unantastbarkeit seines Gebietes und
die Durchführung des Prinzips der offenen Tür gewährleistet wurden.
Den vorläufigen Abschluß dieser Neugruppierung bildeten die Verträge
Spaniens mit Großbritannien und Frankreich vom 16. Mai 190728) über
die gegenseitige Sicherung des Besitzstandes an den Küsten des
Mitelländischen Meeres und des Atlantischen Ozeans.
Großbritannien hatte inzwischen seine Politik der Einkreisung
des Deutschen Reiches fortgesetzt. Auch Rußland gegenüber ge-
langtc es 1907 zu einer Verständigung über die wichtigsten schwebenden
Fragen (Revaler Zusammenkunft 19. Juli 1908). Damit hatte der Zwei-
bund sich zum Dreiverband erweitert: das europäische Gleichgewicht
war labil geworden.
Am wichtigsten war die Regelung der russisch-englischen Be-
ziehungen in Asien. Großbritannien hatte durch seine Verträge mit China
zu Lhassa am 7.September 1904 und zu Peking am 27. Aprıl 1906 ?°)
Conference d’Algesiras. 1907. Rougier, R.G. XVI172, XIX 636. Abdruck
der Verhandlungen in N. R. G. 2. s. XXXIV 3. — Deloncle, Statut international
du Maroc. 1912. Rouard de Card, Documents diplom. pour servir a l’etude
de la question marocaine. 1911.
28) Abgedruckt bei Strupp II19%. Vgl. dazu N.R.G. 2. s. XXXV 692,
3.5. 11.
29) Strupp II136, 148; N.R.G.2. s. XXXV447. Das englisch-chine-
sische Abkommen vom 5. Dezember 1893 bei Strupp II 123.