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St. Peter und Paul zu Weißenburg zeigen Verwandtschaft. Die
Facade der Kirche zu Ruffach mit ihrer prächtigen Rose entstammt
der von Straßburg. Der Thurm des Münsters zu Freiburg lehrt uns
vermuthlich, wie sich Erwin den seinigen dachte; und im Elsaß selbst
hat er zu Haslach, Thann, Weißenburg und Schlettstadt verklei-
nerte Nachahmung gefunden. Ja, das Vorbild des Münsters läßt
sich weit über das Elsaß hinaus, bald mehr, bald weniger bestimmt,
in die Schweiz, nach Schwaben, Baiern, Franken und den Rhein
hinab verfolgen. Erwin von Steinbach ist der Chorführer für die
ganze jüngere deutsche Gothik.
Mit dem Ansehen des Straßburger Münsters wuchs das An-
sehen der Straßburger Bauhütte. Und als im Jahre 1459 eine
Brüderschaft aller deutschen Bauleute und Steinmetzen sich bildete,
übertrug man dem Werkmeister des Straßburger Münsters den Vor-
sitz und das Oberrichteramt. Die Hauptstadt des Ketzerthums,
die Hauptstadt des Mysticismus, die Hauptstadt der
Geschichtschreibung ist also auch die Hauptstadt der
Baukunst. Auf einigen dieser Gebiete muß sie ihren Ruhm mit
der rheinischen Schwesterstadt Köln theilen. Brauchen wir Sym-
bole dieser verwandten und hervorragenden Stellung, so sind es der
Kölner Dom und das Straßburger Münster.
Gleich der Architektur, waren auch Plastik und Malerei mit
dem Aufschwung des städtischen Gewerbes aus der Hand der Geist-
lichen in Bürgerhände übergegangen. Aber wir haben für diese
Epoche keine Urkunde, wie die Encyclopädie der Herrad von Lands-
berg für das zwölfte Jahrhundert (oben S. 37). Wenig ist uns
geblieben: Glasgemälde zu Neuweiler, Weißenburg und im Münster;
Wandgemälde zu Weißenburg; Sculptur in dem reichen Statuen-
und Reliefschmuck des Straßburger Münsters. Die Straßburger
Maler müssen als tüchtig bekannt gewesen sein, da Karl IV. den
Nicolaus Wurmser von Straßburg zu sich berief und neben Theo-
dorich von Prag zur Ausschmückung seiner Burgen verwendete. Die
vorhandenen Glasgemälde präsentiren sich zum Theil in wunder-