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Blumen niederlassen, in Anbetung des Heiligen versunken und
wie von einem Abglanze des Himmelslichtes überströmt. Hinter
ihnen blühen Rosenhecken, durch welche kleine Vögel zierlich
schlüpfen, holde Engel spielen mit dem Christuskinde, holde Engel,
die wie weiße Wölkchen um die Jungfrau schweben, jubiliren in
den Lüften.
Dies ist die Stimmung, die uns auch bei Martin Schongauer
noch entgegen tritt. Eine heilige Jungfrau im Rosenhag ist sein
Hauptwerk. Und einen Zug tiefer Innigkeit und manchmal leiser
Sehnsucht hat er der Gottesmutter stets geliehen. Ueberraschende
Züge warmer menschlicher Empfindung verrathen überall das sinnige
Gemüth. Aber freilich, jene Gottgelassenheit, jenes fromme Ent-
zücken spricht sich nur in den Mienen, nur in den Käöpfen aus.
Hier ist der Meister auf seinem Felde. Da hat er Schönheitsgefühl
und Formensinn, Alles was zu den höchsten Leistungen befähigt,
aber das Nackte, Beine, Arme, Hände sind mager, unschön, die
Bewegung oft verzeichnet. Es ist, als ob er den Körper gering
geachtet hätte, um ganz sich in die Darstellung der Seele zu ver-
senken. Aber nur im Milden und Heiligen ist er zu Hause. Die
Frauen gelingen ihm vortrefflich. Das erhabene Dulden des Er-
lösers hat er ergreifend vorgeführt. Johannes am Fuße des Kreuzes
tst ein rührendes Bild des Jünglingsschmerzes: er steht aufrecht,
das Keépfchen leicht gesenkt, in dem starren Auge zittern Thränen,
die rechte Hand faßt krampfhaft ins Gewand und wird von der
Linken fest umklammert. Immer hat der Schmerz bei Schongauer
etwas gemildertes und die Hände sind sehr ausdrucksvoll.
Er war eine weiche Natur, und alles, was er geschaffen, trägt
den Charakter des Zerfließenden an sich. So fruchtbar seine Phan-
tasie in der Bildung des Weiblichen, so unfruchtbar ist sie in der
Darstellung des Männlichen. Er weiß nicht mannigfaltige lebens-
kräftige Individuen hinzustellen. Er verfällt in den gewöhnlichen
Heiligentypus oder in jenen Typus der Scheuslichkeit, den die Ma-
lerei des fünfzehnten Jahrhunderts für Pharisäer, Henkersknechte