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„Sie wollen uns — berichteten sie — ihren geistlichen Beistand
nur gewähren, wenn wir ihnen Geld, Geschmeide und andere Dinge
geben; sie kommen in unsere Klöster in kurzen Röcken, bebänderten
Mützen, Stiefeln, wie weltliche Leute; sie haben vor uns getanzt
und uns zu eitler Lust aufgefordert, ja einige von uns haben sie
verführt.“ Alle solche Zustände hatten sich im Laufe des fünfzehnten
Jahrhunderts gesteigert. War es da ein Wunder, wenn man die
Mönche öffentlich in derbstem Ausdruck mit ihren Erfolgen bei Frauen
neckte, wenn ihnen das Genrebild regelmäßig die Rolle des Fauns
übertrug, wenn „Mönch“ und „Nonne“ geradezu Schimpfnamen
wurden, wenn die Volkspolemik sich gegen den ehelosen Stand über-
haupt erklärte: Der Haß der Laien gegen die Geistlichkeit war
entschieden. Man fing an, ihnen ihre Reichthümer zu misgönnen und
bedenkliche finanzielle Berechnungen anzustellen. Lange ehe Luther
seine Thesen anschlug, war der Ablaß verachtet. Lange ehe ein
Führer sich zeigte, waren die Massen in die revolutionäre, nichts
hochachtende, nichts schonende Stimmung hineingerathen, auf welche
sich die ganze Bewegung nachher stützte.
Sogar bis in die kirchlichen Gebäude selbst trugen Künstler
und Handwerker die Feindseligkeit gegen das Pfaffenvolk.
Von jeher hatte man in der plastischen Ausschmückung der
Architektur dem Humor ungescheut die Zügel schießen lassen. An
der Kirche zu Andlau aus dem elften Jahrhundert sieht man phan-
tastische Reliefs, Gestalten aus dem Thierkreis, Männer und Frauen,
die auf Fischen reiten, Fußkämpfer, Ritter, Centauren, Bogenschützen,
alles bunt durch einander. In der Kirche zu Rosheim aus dem
zwölften Jahrhundert sitzen auf dem Dach groteske Figuren und im
Innern treiben sich auf Consolen und Kapitälen Frösche, Larven
und anderes verdächtige Gesindel umher. In der Kirche zu Maurs-
münster aus dem dreizehnten Jahrhundert verwandeln sich die Blätter
der Kapitäle plötzlich in unzählige Menschengesichter, und ein
Teufelchen erscheint als Karyatide en miniature. In Ruffach ist um
dieselbe Zeit der Giebel des Hauptportals mit allerlei Figürchen von