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Diese Kanzel hat Meister Johannes Hammerer für Geiler von
Kaisersberg im Jahre 1486 errichtet. Der berühmteste Prediger des
fünfzehnten Jahrhunderts hat hier seine andächtigen Zuhörer um
sich gesammelt, nachdem die Lorenzcapelle des Münfters zu klein
geworden war, um die Herbeiströmenden zu fassen.
Dr. Johann Geiler von Kaisersberg ist 1445 zu Schaff-
hausen geboren, wurde aber von Kindheit auf im Elsaß erzogen
und hat in Straßburg die Stätte seiner volksthümlichen Thätigkeit
gefunden. Geiler war einer der ersten Männer seiner Zeit. Als er
starb, war die Trauer allgemein; zahlreiche Gelehrte von Nah und
Fern machten Grabschriften und Gedichte auf ihn. Die Universi-
täten Freiburg und Basel hatten sich einst darum gestritten, ihn als
Lehrer zu besitzen. Die Stadt Würzburg, der Bischof von Augs-
burg, der Erzbischof von Köln, hatten zu verschiedenen Zeiten ihn
als Prediger gewünscht. Kaiser Maximilian gewann ihn lieb, ver-
säumte keinen seiner Vorträge, wenn er in Straßburg war, ernannte
ihn zum kaiserlichen Kaplan und ließ ihn einmal eigens kommen,
um seinen Rath einzuholen.
Alle lockenden Aussichten, alle Ehren und Würden, die ihm
anderwärts winkten, achtete der bescheidene Mann gering, um seiner
Stellung am Straßburger Münster getreu zu bleiben.
Diese Stellung hatte ihm städtischer Bürgersinn bereitet. Ein
edler Bürger mußte thun, was die blinde Hierarchie versäumte.
Man forgte nicht für tüchtige Prediger. Den Zuhörern Possen
vorzumachen, sie durch lustige Geschichten zum Lachen zu bringen
und auf andere Geistliche zu schimpfen, war allmälich Styl ge-
worden. Seit einem halben Jahrhundert lagen sich in Straßburg
Bettelorden und Weltpriester in den Haaren. Und um emnstlichen
Unruhen vorzubeugen, mußte der Rath die Münsterkanzel einmal
gänzlich sperren lassen. Da griff der Ammeister Peter Schott
ein und wies auf sein eigenes Vermögen eine bedeutende Summe
an zum Unterhalte eines Predigers, der Doctor der Theologie
sein, aber keinem Orden angehören sollte. Dazu wurde 1478