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und waren königlich vergnügt über die Entdeckung. Sebastian Brant
macht ein System daraus, dessen A und O der Begriff der Narr-
heit ist. Die moralischen Gebrechen erscheinen als Verstandesschwäche,
das Laster als belachenswerth. Da mochte nun noch so viel Edles,
Gutes und Erhabenes von dem Dichter ausgesprochen sein, hinter
der durchgeführten Grundanschauung mußte es für die Masse der
Leser verschwinden. Der läßlichen ironischen Lebensauffassung war
die Schellenkappe als Siegel aufgedrückt.
In Straßburg aber war man nicht wenig stolz auf den be-
rühmten Landsmann, und ihm zu Ehren wurde eine der drei größten
städtischen Kanonen „der Narr“ genannt, wie eine andere „der Ror-
affe“ hieß.
Eine ähnliche Stellung wie Sebastian Brant für die moralisch-
satirische, nimmt sein Zeitgenosse und Landsmann, der elsässische
Franciscanermönch Johannes Pauli (geb. um 1455, gestorben
um 1530) für die kleine Erzählungslitteratur ein. Er hat damit
begonnen, die Predigten Geilers von Kaisersberg nachzuschreiben und
zu veröffentlichen, treu und sorgsam, bis zu den kleinen Zufälligkeiten
der mündlichen Rede herab. Dann übersetzte er die lateinisch erschie-
nenen Predigten Kaisersbergs über das Narrenschiff. Und gleichzeitig
sammelte er sein Buch „Schimpf (Scherz) und Ernst“, das 1522
erschien und dann oftmals wieder gedruckt wurde. Aus Litteratur
und Volksmund hatte er an die 500 Geschichten zusammengebracht,
ernste und heitere, oft bloße Witzworte oder Dummheiten, alles so
reizend, natürlich und unbefangen erzählt, das Ganze ein solches
Stelldichein von guter Laune und gesundem Menschenverstand, daß
der Mönch eines der beliebtesten Volksbücher des sechszehnten und
fiebenzehnten Jahrhunderts damit geschaffen hat, zugleich ein rechtes
Schatzkästlein deutscher Sinnesart in fener Zeit. Schon im fünf-
zehnten Jahrhundert sammelte man im Elsaß gern solche Erzäh-
lungen, für die gedruckte Litteratur eröffnete Pauli die Reihe der
deutschen Schwankbücher, und fand dann noch manchen Nachfolger
unter seinen speziellen Landsleuten. —