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ehrlich, aber doch ein wenig beschränkt und in seinem gutmüthigen
Eifer oft unüberlegt und zufahrend. Er würde in Tugenden, wie
in Schwächen, an den Turnvater Jahn erinnern, wenn nicht die
ganze Gestalt etwas Beweglicheres und südlich Feurigeres, etwas
Gewandteres und Geschmackvolleres hätte. Aber er gehört wie Jahn
zu der liebenswürdigen Classe von Menschen, die in rührender Un-
befangenheit zeitlebens wohlgemuth ihr Steckenpferd reiten. Das
Herz geht uns manchmal auf bei solchen Naturen, und doch können
wir einen leisen Anflug von Spott schwer unterdrücken, wo sie uns
begegnen. Eigentlich hat es nur eine Feder gegeben, welche diese
wunderbaren Mischungen von Größe und Kleinheit würdig und ge-
rechl darzustellen verstand: der unvergleichliche Lorenz Sterne.
In der That muthet uns Wimpheling an wie eine Figur aus
Tristram Shandy, wie der Onkel Toby etwa, der so unverdrossen
Fortifications baut. Nicht minder unverdrossen scheint Wimpheling
im Geiste Schulen anzulegen: eine Schule für den Papst, eine
Schule für die Fürsten, eine Schule für widerspenstige Nationali-
täten, eine Schule für europäische Friedensstörer u. s. w. Nie hat
ein Mensch wieder den Büchern, dem Unterricht, der ruhigen Be.
lehrung und Ueberredung ein so kindliches Vertrauen entgegen-
gebracht, wie unser Wimpheling. Alle schwierigen Weltfragen löst
er sozusagen durch den Schulmeister. Wollt ihr die Schweizer dem
deutschen Reich wiedergewinnen? Ei, ihr müßt sie aus der Bibel
belehren, daß man der Obrigkeit Gehorsam schuldig sei, d. h. dem
Kaiser, dem sie sich entziehen. Wollt ihr die Kirche reformiren?
Ei, ihr müßt den Papst persönlich aufzuklären suchen über alle die
gerechten Klagen, die nun so viele Jahre schon ertönen. Wollt ihr
Friede, Glück und Gedeihen der Staaten herstellen? Ei, ihr müßt
das Unterrichtswesen verbessern, mit der größeren Einsicht wird die
Eintracht von selber kommen.
Natürlich ist Wimpheling ein Feind der Kriege im Allgemeinen
und würde sich auf unseren Friedenscongressen vortrefflich ausnehmen:
schade, daß er gegen die Türken so energisch Vernichtung predigt