Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

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Man begreift nun, weshalb es in Straßburg nicht zu stürmischen 
Auftritten von ernster Bedeutung kam. Der erklärte Volkswille 
konnte früher oder später stets auf gesetzlichem Wege zum Ausdruck 
gelangen, darum wurde Ruhe und Ordnung selten verletzt. Die 
Mitglieder des beständigen Regiments waren überdies aufgeklärte 
Männer, die nicht umsonst zu Kaisersbergs Füßen gesessen und die 
Nothwendigkeit einer Reform Jahre lang discutirt hatten. Und ihre 
Autorität und Macht war andererseits doch groß genug, um jeder 
Ueberstürzung vorbeugen zu können. — 
Es gibt ein orientalisches Märchen von einem reichen Könige, 
der den Inhalt seiner ungeheuren Bibliothek zuerst auf wenige Bände, 
dann auf ein einziges Buch der Weisheit, zuletzt auf einen einzigen 
Satz reduciren läßt. So trifft es sich manchmal glücklich im Staats- 
leben, daß von den untersten Massen bis zu den höchsten Behörden 
jede übergeordnete Stufe der Hierarchie nur wie ein kurzgefaßter 
Auszug der nächst untergeordneten erscheint. Und se traf es sich 
zur Zeit der Reformation in Straßburg. 
Die Schöffen waren ein Auszug des Volkes, der Rath war 
ein Auszug der Zünfte und des Adels, das beständige Regiment 
war ein Auszug des Rathes, und der Auszug des beständigen Regi- 
ments — war ein einzelner Mann. Ein Mann, dessen politische 
Weisheit von alter und neuer Zeit um die Wette gepriesen worden 
ist: „unsern Heros“ nennt ihn Butzer, die Zierde des deutschen 
Adels und den rechtschaffensten aller Menschen nennt ihn der Ge- 
schichtschreiber Sleidan, das Orakel Deutschlands nennen ihn andere 
Zeitgenossen, „ein Berather der Stadt, werth über den Erdkreis zu 
herrschen“ (Urbis consultor, dignus dominarier orbi) nennt ihn 
eine Grabschrift. Sleidan besang seinen Tod mit den Worten: 
„Deine Sonn ist erloschen, o Straßburg! Nun bete zum Herrn, 
auf daß er inmitten der Flut, in Nacht und in Dunkel Euch gnädig 
behüt und sicher das Schiff zum Hafen geleite. Und Ihr auch, 
Städte des Reichs, betrauert den Fall des Mannes, der mächtig im 
Rath mit hellem Verstand und gewaltiger Zunge oftmals Euch die
	        
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