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cher Taufbrũder bei ihm eine verwandte Saite. Capito hatte unter
den Wiedertäufern vortreffliche und für wahre Frömmigkeit em-
pfängliche Seelen gefunden. Er ist gegen eine äußere gewaltsame
Kircheneinigung, diese führe zur Lüge, und angenommene Frömmig-
keit ist ihm zwiefache Bosheit. Er behandelt das Täuferthum wie
eine Krankheit der Seele, die man nicht urpläötzlich mit einer Arznei
auf einmal heilen könne. Der Mangel an Verstand und Einsicht
in Glaubenssachen, meint er, soll die sonstige Unschuld dieser Leute
nicht strafbar machen. „Ich glaube das Partei= und Sectenwesen in
meinem Herzen besiegt zu haben,“ schreibt er an Zwingli.
Dies ist der Geist echt christlicher Duldung, welchen Capito
stets bewährte, den aber Butzer nur dort fand, wo die allgemeinen
Interessen der kirchlichen Politik in Frage kamen.
Der Rath seinerseits begnügte sich, gegen die aufrührerischen
Auswüchse des Täuferthums einzuschreiten, welche die bürgerliche
Ordnung bedrohten; er hat wiederholt Ausweisungen gefährlich
scheinender Menschen angeordnet, aber zur Hinrichtung griff er nur
einmal, als der Scheidenmacher Thomas Salzmann Christum für
einen falschen Propheten erklärte, der die Welt verführt habe (1527).
In Deutschland ging die Rede: „Was man anderswo henkt, das
wird in Straßburg mit Ruthen ausgestrichen.“
Die Wiedertäufer selbst haben das Recht der Obrigkeit in
Glaubenssachen immer bestritten. In Straßburg erschien bereits um
die Zeit des Bauernkrieges ein gereimter Tractat, worin mit voller
Klarheit das Princip der Trennung von Staat und Kirche, der Unter-
schied zwischen „Welt“ und „Christenheit“ proclamirt wurde. Und
bald darnach, im Anfang der dreißiger Jahre, verfochten der Pfarrer
Schultheiß und der ehemalige Weihbischof Engelbrecht in besonderen
Schriften den Satz, daß es keiner Obrigkeit zustehe, sich in Religions-
und Glaubenssachen zu mischen. Dagegen erhob sich Butzer. Aber
die Agitation für jenes Princip dauerte fort, und die aufgeklärten
Pädagogen Brunfels und Sapidus (S. 194) waren daran betheiligt.
Der Rath hat zwar solche Behauptungen entschieden misbilligt