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Auf dem Speierer Reichstag von 1529 vertheidigte Jacob
Sturm diese Abschaffung mit Nachdruck, und als König Ferdinand
die elsässische Hauptstadt vom Reichsregiment ausschloß, um ihre
Kühnheit zu bestrafen, da traten noch sämmtliche Reichsstädte, auch
die katholischen, für das gute Recht Straßburgs ein.
Aber bald schieden sich die Parteien: vierzehn Städte, Straß=
burg voran, schlossen sich der Protestation der evangelischen Fürsten
an. Die protestantischen Stände Deutschlands erschienen als eine
Einheit.
Kaum ist ein Jahr vergangen: und was für ein anderes Bild
stellt sich uns dar! Welche traurige Isolirung: die Gesandten von
Straßburg, Constanz, Lindau, Memmingen am 8. Juli im Vorzimmer
Kaiser Karls V. zu Augsburg, um ihm das Glaubensbekenntnis
der vier Städte, die Tetrapolitana, vorzulegen. Die große
Augsburger Confession war schon vor vierzehn Tagen übergeben,
diese Städte aber davon ausgeschlossen. Mit welchen Gefühlen
mochten Jacob Sturm und seine Collegen hier Stunden lang warten,
nachdem sie so lange vergeblich gestrebt, sich den übrigen Evan-
gelischen anschließen zu dürfen. Der erboste Habsburger ließ sie die
Schwere seines Unwillens rücksichtslos empfinden. Nachdem sie den
ganzen Morgen gestanden, wurde ihnen gesagt, der Kaiser habe jetzt
wichtigere Dinge zu thun als sie anzuhören, sie sollten am nächsten
Tage wieder kommen. Und als sie sich andern Tags einfanden,
hieß es: seine Majestät sei früh auf die Jagd geritten. Ihr Son-
derbekenntnis kam gar nicht zur öffentlichen Verlesung: nur eine
Widerlegung wurde vorgetragen, die von so ungeheuerlichen Beschul-
digungen und handgreiflichen Lügen strotzte, daß Butzer leichtes Spiel
hatte, sie in einer vernichtenden Gegenschrift zu beantworten.
Wie war das so gekommen? Was war hier vorgegangen?
Brauchen wir an all das Unheil zu erinnern, das in der Ge-
schichte unseres geistigen Lebens unter dem Namen Abendmals-
streit bekannt ist?
Welche Grübeleien, welche Spitzfindigkeiten, welchen Streit,