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der protestirenden Stände zu bewirken? Das Vierstädtebekenntnis,
die Tetrapolitana, ein Werk Butzers und Capitos, weicht von der
großen Augsburger Confession wesentlich nur in dem einen Artikel
vom Abendmale ab, und zwar so unbedeutend, daß ein heutiger
unbefangener Leser den Unterschied kaum merken würde. Und doch
Entzweiung! Doch Vereinsamung jener tapferen vier oberdeutschen
Städtel!
Als der Kaiser den harten Reichsabschied bekannt machen ließ,
da protestirten nach mehr Stände als im vorigen Jahre zu Speier
und der Rath von Straßburg erklärte: „daß er lieber Weib und
Kinder vor seinen Augen ermordet sehen und alle Güter verlieren
wolle, ja die Stadt lieber wolle zerstören lassen und selbst das Leben
daran setzen, als solche Bedingungen anzunehmen, durch die dem
Evangelium der Weg versperrt würde.“ «
Mußte er bei solchen Gefinnungen nicht verdoppelte und drei-
fache Anstrengungen machen, um die ersehnte Einigung zu Stande
zu bringen!? Man war gefaßt auf eine Verfolgung der Gläubigen,
wie sie kaum zu Diocletians Zeit gewesen. Die Allianz mit der
Schweiz hatte Zwinglis Tod (1531) nicht überleben können. Welchem
Schicksal ging die Stadt entgegen, wenn es nicht gelang, den festen
Anschluß an eine größere Macht zu erreichen!
Hier zeigte es sich, welch' ein Glück Martin Butzer für Straß-
burg war.
Luther erscheint uns in dem Abendmalsstreite wie ein leidenschaft-
licher Priester, der das schauerliche Mysterium des Tempels wahrt
gegen freche Zerstörer. Zwingli steht da, wie ein klarer, weit-
blickender Philosoph, welchem der Ausspruch der Vernunft als un-
antastbares Gesetz gilt. Butzer dagegen ist der entschlossene Politiker
im Dienste der neuen Kirche, deren äußere Einheit er um jeden
Preis herstellen will. Es hätte kaum der entschiedenen Erklärung
des Straßburger Stadtraths bedurft, daß er sich um des einen
Artikels willen von der sächsischen Kirche nicht trennen werde. Butzer
sah, welches Unheil der Gegensatz zwischen Vernunft und Mysterium