Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

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man die heimische Landschaft gern das Edelsaß; in einem gewissen 
Glanze des äußeren Lebens prägte sich ein vornehmer großartiger 
Zug aus. Der Wohnungsluxus war kaum geringer als der Kleider- 
und Tafelluxus, der den Predigern, Moralisten und Satirikern so“ 
viele Seufzer über die fündige Welt auspreßte. 
Das Elsaß war ein reiches Land. Industrie und Handel standen 
auf hoher Stufe. „Der fruchtvolle Paradiesgarten des oberen 
Deutschlands und dessen reicher Speis- und Zehrgarten“ oder „die 
Speiskammer, der Weinkeller und die Kornscheuer der umliegenden 
Länder“ — in solchen Ausdrücken redete die alte Zeit vom Elsaß. 
Getreide, Küchengewächse, Kastanien, Bauholz und insbesondere 
Wein wurde massenhaft exportirt. Die Straßburger Schiffahrt be- 
herrschte den oberen Rhein. Die Straßburger Johannismesse (seit 
1336 eingerichtet) wurde aus ganz Deutschland, Schweiz und Frank- 
reich zahlreich besucht. Mit Genua und Köln theilt Strahßburg den 
Ruhm, die ersten Wechsler auf seinen Märkten gesehen zu haben. 
Wie sollte sich nicht unter dem Segen der Natur, den mensch- 
liche Thatkraft so erfolgreich verwerthete, die übermüthigste Genuß- 
sucht ausbilden. Die Kochkunst der Elsässer, insbesondere was Zu- 
bereitung der Fische betrifft, war in der Umgegend ebenso berühmt, 
wie der elsässische Wein in ganz Deutschland und weit darüber hin- 
aus. Man wurde nicht satt, Feste zu feiern. Mummereien und 
Volksbelustigungen waren sehr beliebt und die angesehensten, wür- 
digsten Personen nahmen daran Theil. Der Grundsatz leben und 
leben lassen wurde so wörtlich befolgt, daß man Gutmüthigkeit ge- 
nug besaß, um Legionen von Bettlern großzuziehen, deren Unterneh- 
mungelust sie in die fernsten Länder führte, so zwar, daß sie euro- 
päischen Ruf genessen und daß z. B. das Londoner Bettlerquartier 
nach ihnen Alsatia benannt wurde. 
Erst wenn wir diese Lebensfreude, Leichtlebigkeit, Lässigkeit im 
Auge behalten, gewinnen wir das volle Verständnis für den eigen- 
thümlichen Verlauf der Reformation in Straßburg, gewinnen wir 
das volle Verständnis für die bemerkenswerthe Thatsache, daß Un-
	        
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