295
Blicken wir zurück auf die ältere Geschichte des lateinischen
Dramas, sofern es von Elsässern gepflegt wurde. Die leider ver-
lorene Komödie Wimphelings „Stilpho“ (1494) geißelte die Un-
wissenheit und das Buhlen um die Gunst der räömischen Kurie.
Jacob Michllus (geb. 1503, gest. 1558), ein Straßburger, der seine
Wirksamkeit jedoch außerhalb der Heimat in Frankfurt und Heidel-
berg fand, — ein Philologe, der auch als lateinischer Lyriker zu den
besten seiner Zeit gehört und dessen Verdienste um die Uebersetzung
römischer Historiker wir schon oben (S. 244) erwähnten — Jacob
Mieyllus stellte in seiner Comödie „Apelles“ das Wirken der Ka-
bale dar. Im Apelles, einem einfachen reinen schlichten auf das
Ideale gerichteten Charakter, der uns die Seligkeit eines der Kunst
gewidmeten Lebens schildert, spiegelt der Verfasser offenbar sich selber,
den stillzufriedenen Gelehrten, wieder. Den Gegensatz bildet das
Hofgetriebe, wo Intrigue und Verleumdung herrschen: ihnen scheint
der Künstler unterliegen zu müssen, aber höhere Mächte greifen zu
seinen Gunsten ein, die Wahrheit in Person nimmt ihn in Schutz
und offenbart seine Unschuld. Es ist ein Intriguenstück wie sie das
sechszehnte Jahrhundert mehrfach hervorgebracht hat und worin sonst
meist der Teufel die Rolle des Intriganten spielt.
Johannes Witz (Sapidus), Gymnasiallehrer erst in seiner Vater-
stadt Schlettstadt, dann in Straßburg (S. 194. 198), der durch
beißende Epigramme auf das römische Kirchenwesen seinem Namen
Ehre machte, dichtete zur Eröffnung des Straßburger Gymnasiums
eine Auferweckung des Lazarus, welche zu ihrer Zeit viel Anerken-
nung fand und auf die deutsche Dramatik in Sachsen wie in der
Schweiz Einfluß übte. Den Andeutungen der biblischen Erzählung
folgend geht er mit bewußter Kunst auf Kontrastirung der Charaktere
aus. Die praktische alte Martha, die ausgezeichnete Krankenwärterin,
das Hausmütterlein, die so thätig, pünctlich, fleißig, umsichtig und
ängstlich für die Wirthschaft sorgt und das Gesinde so energisch in
Ordnung hält, ist ganz vortrefflich geschildert. Von ihr heben sich
Maria und Lazarus nur um so entschiedener ab, das ideale Ge-