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So war denn der ältesten deutschen Reichsstadt das Sterben
eines Märtyrers vom Schicksal bestimmt, mit allen den langsamen
Qualen und der Unruhe, welche der von seinem Volke verlassene
und preisgegebene Held in bereits entfremdetem Lande erleidet.
Um nicht von neuem das Volk aufzuregen, war der Stadtrath
genötigt, mit mehr Heimlichkeit, als sonst, die Verhandlungen mit
den großen Mächten zu führen. Im Mai 1673 ging in geheimer
Mission der Stadtrath Günzer an den Hof Ludwigs XIV. Das
kurzgefaßte Schreiben, in welchem der König die Straßburger wieder
zu seinen Gnaden aufnahm, war freilich nicht dazu angethan, von
einem deutschen Manne ohne Schamröthe gelesen zu werden. Im
Juli kam Ludwig nach Bitsch, das er soeben in seine Gewalt gebracht
hatte, die Straßburger waren genötigt worden, ihn zu bewillkomm-
nen, und der Stadtmeister Bernold, der Ammeister Brackenhoffer
und der Stadtsyndicus Fried kehrten mit großen goldenen Ketten,
die sie aus der Hand des nun wieder huldvollen Königs erhielten,
zurück. Im August kam Louvois nach Straßburg, er mußte mit
Ehrensalven empfangen werden.
Alle diese Umstände befestigten den Glauben der Bevölkerung,
daß der Rath vollkommen in den Händen der Franzosen sei. Es
war die Straßburger Bürgerschaft selbst, welche das Wort zuerst
aussprach, das man seitdem unausgesetzt zur Erklärung der Kata-
strophe wiederholt: Bestechung der Rathsherren. Zu dem Un-
glück gesellte sich solchergestalt der Schimpf, welcher auf dem Ge-
meinwesen der ältesten Stadt Deutschlands lastete. Aber wir wollen
gleich hier bemerken, daß die Acten der Geschichte nichts zu Tage
gefördert haben, was den Verdacht gegen den Rath rechtfertigte.
Die Maßregeln, die er zu ergreifen genötigt war, zwingen nicht
durchaus auf eine verbrecherische Handlung zu schließen. Seit De-
zennien war eine bösartige leidenschaftliche Stimmung unter den
politischen Parteien der Stadt vorhanden. In der leichtsinnigsten
Weise wurden Persönlichkeiten der niederträchtigsten Handlung be-
schuldigt. Bekannt sind die Verunglimpfungen, welche der Am-