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im Angesicht des Herzogs von Lothringen, der zwar die gröbsten
Fehler gemacht hatte, doch nicht. Die Franzosen mußten sich genügen
lassen, einen wohlgezielten Kanonenschuß gegen den Thurm des
Münsters zu richten, dann zogen sie ab, nachdem sie die Schanzen
geschleift und die Rheinbrücke vollends verbrannt hatten.
Alles das war geschehn, während in Straßburg unter dem
Scheine der Freundschaft und des Friedens Herr von Laloubere als
französischer Gesandter fungirte, und seine Stellung benutzte, um dem
Postmeister Zeitungsnachrichten aus Deutschland „par représailles“
abzupressen. Mehrmals glaubten die Straßburger, daß es zur Be-
lagerung der Stadt kommen werde, aber der Ammeister Dietrich,
dessen achtungswerthes Verhalten von Laloubere selbst anerkannt
wurde, wußte durch Umsicht und Ausdauer den Mut der Bürger-
schaft ungebrochen zu erhalten, bis der Friede von Nymwegen die
Gefahr zu beseitigen schien.
Freilich zeigte sich schon in den Friedensunterhandlungen, welche
am 5. Februar 1679 zwischen Frankreich und Deutschland abge-
schlossen wurden, daß die Selbständigkeit der alten Reichsstadt so
gut wie verloren war, denn als sich der Stadtrath um die aus-
drückliche Anerkennung der Integrität seines Gebiets in dem Ver-
trage bemühte, wagten die kaiserlichen Unterhändler nicht mehr eine
Formel vorzuschlagen, durch welche Frankreich bestimmter als im
westphälischen Frieden gezwungen worden wäre, die Rechte der Reichs-
gebiete im Elsaß zu achten.
Sofort wurden von den französischen Staatsmännern die un-
glaublichsten Folgerungen aus den vorhergegangenen Friedenstrac-=
taten gezogen. Während Sebastian von Vauban den Festungsgürtel
erbaute, dessen Stärke den Franzosen noch heute die einzige Stütze
ihres verlorenen militärischen Ansehens darbot, begannen die Reu-
nionskammern in Met und Breisach ihre Zaubersprüche zu fällen,
welche die halbe Welt zu Vasallen der französischen Krone erklärten.
Dieser Institution Ludwigs XIV. ist in der französischen Sprach-
technik der Name und die Bedeutung von Gerichtshöfen beigelegt