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wüstung und Plünderung preisgeben werde, wenn er genötigt wäre,
sie mit stürmender Hand zu erobern. Es fehlte nicht an den bekann-
ten theatralischen Scenen heftiger Ausbrüche, durch welche französische
Generale bis auf Napoleon I. so oftmals bei Unterhandlungen Ein-
schüchterung und Erfolge bewirkten.
In Straßburg folgte auf die patriotische Erhebung und den
begeisterten Aufruf zur Vertheidigung, den die Sturmglocken am
Sonntagsmorgen wach gerufen, sehr rasch eine gewaltige Ernüchte-
rung der Gemüter. Schneller als die Franzosen gehofft hatten, war
die große Masse in Schrecken gesetzt worden. So lange man meinte,
es handle sich um einen Kampf mit den Dragonern Asfelds, war aller
Mut unter den Bürgern vorhanden, aber Montclars 30,000 Mann
und Louvois Drohungen hatten schon am Montag Abends eine voll-
ständige Umstimmung hervorgebracht. Bezeichnend für diese erschüt-
ternde Wirkung. sind die Bemerkungen des französischen Gesandten
Frischmann in Briefen an Louvois während der Cernirung der Stadt:
Der Stadtrath war für die Sicherheit der Person Frischmanns so
sehr besorgt, daß er, um ihn vor Insulten zu schützen eine starke
Wache vor sein Haus legte, die ihn verhinderte auszugehn. Frischmann
will dagegen die Nothwendigkeit der Maßregel nicht nur nicht aner-
kennen, sondern er meint, daß sie gegen ihn gerichtet sei, um ihn zu
verhindern, unter der Bevölkerung für die Capitulation zu wirken.
Leuvois hatte den Abgesandten des Raths nur eine äußerst
geringe Bedenkzeit gegeben. Nur mit Mühe ließ er sich eine Frist-
erstreckung bis Mittwoch um sieben Uhr gefallen. Die Schöffen, welche
der Stadtrath zur Berathung berief, und denen sich eine Anzahl von
Notabeln der Stadt, wie Professoren, Mitglieder des Kirchenconvents
und andere beigesellen durften, waren rasch für die Annahme der Ca-
pitulation bestimmt worden. Der nüchterne Sinn, welcher in dem
Berichte des Stadtraths Joachim Franz über die Ursachen der Capi-
tulation dem heutigen Leser nicht geringes Erstaunen erregt, war die
Grundstimmung dieser Versammlung. Die „kurze jedoch gründliche
Erzählung der Ursachen, warum sich die Stadt Straßburg an den