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lutherischen Orthodorie. Hartnäckig verschloß man sich gegen den
Pietismus. Eher gestattete man noch den freisinnigen Auffassungen
Zutritt. Von dem Professor Pfeffinger wird um 1710 geschrieben:
„Wenn er nur einige Funken der Frömmigkeit (des Pietismus) sieht,
sucht er sie zu unterdrücken; in seinen Vorlesungen streut er fast
den Samen des Naturalismus aus: die Geheimnisse des Glaubens
kehrt er in Scherz und erklärt, daß es mit der Redlichkeit schon
genug sei.“ Aber Dr. Fröreisen, der seit 1722 Professer, von 1731
bis zu seinem Tode 1761 Präsident des Kirchenconventes war, hat
zeitlebens einerseits gegen die Rationalisten, andererseits gegen die
Pietisten, speciell gegen Zinzendorf und die Herrenhuter, den wüthendsten.
Krieg geführt, ohne daß es ihm doch gelingen konnte das Einströmen
der neuen Ideen gänzlich zu hindern.
Eine wohlthuendere Gestalt ist sein College Dr. Reuchlin (gest.
1788), auch ein strenggläubiger Theologe, aber ohne Fanatismus
und mehr auf praktisches Christenthum Gewicht legend. An ihn
reihen sich die ausgezeichneten freisinnigen Praktiker Johann Georg
Stuber, Reuchlins Schwiegersohn und Oberlins Vorgänger im Stein-
thal, Lorenz Blessig, der Hort des elsässischen Protestantiemus in
den Stürmen der Revolution, und der Pfarrer Oberlin, der Wohl-
thäter des Steinthals, von dem in einem folgenden Kapitel mehr
erzählt werden soll: lauter Namen, die man noch heute im Elsaß
mit Dankbarkeit und Verehrung nennt.
Aber die eigentlichen Sterne der Universität Straßburg müssen
wir unter den Juristen, Historikern und Philologen suchen.
Die mächtigen lateinischen Folianten des Schatzes deutscher Alter-
thümer (Thesaurus Antiquitatum Teutonicarum) von Schilter,
des altdeutschen Wörterbuchs von Scherz und Oberlin, der Alsatia.
ülustrata und Alsatia diplomatica von Schöpflin sind die wahren
und werthvollsten Monumente elsässischen Geisteslebens in der Zeit,
die wir betrachten.
Auch auf diesem Gebiete fand eine Art Erstarrung statt: die
Richtung, welche man um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts